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Manchmal kommt es anders und meistens als man denkt… Über Denkfallen in Patchworkfamilien und andere Irrtümer

Seit dreieinhalb Jahren lebe ich mit den Kindern meines Partners wochenweise in einer Patchworkfamilie auf Mallorca. Als ich meinen Partner kennenlernte, las ich erst einmal Literatur über Patchworkfamilien, da ich mit dem Thema überhaupt nicht vertraut war – übrigens kann ich da die Bücher von Jesper Juul sehr empfehlen. Irgendwo las ich in einem Internetforum, dass es ca. 7 Jahre braucht, bis man als Patchworkfamilie so richtig zusammengewachsen ist. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich damals mit Schrecken dachte, um Gottes Willen, 7 Jahre… das geht sicher schneller, wenn man nicht glaubt, dass es 7 Jahre dauern wird… Nun ist die Hälfte der prognostizierten Zeit herum und im Moment sage ich: Wir sind auf einem guten Weg.

Auf diesem Weg habe ich eine ständige und zuverlässige Wegbegleiterin: The Work of Byron Katie, eine Lebenshaltung, die mir schon sehr oft aus herausfordernden Situationen geholfen hat. Wie in allen Beziehungen kommt es in Patchworkfamilien auch zu den üblichen Herausforderungen: Eifersucht, Trotz, Pubertät, Verlustängste, Platzhirschgedöns, Ärger, Wut und Enttäuschung… und manchmal erscheint es mir, als wenn sich das in Patchworkfamilien etwas potenziert dadurch, dass die Mitglieder einer solchen Familie immer wieder mit Wechseln konfrontiert sind und eben Kinder von getrennten Eltern sind, die sich je nachdem mehr oder weniger gut verstehen, Kinder, die mit neuen Partnern oder Partnerinnen der Eltern umgehen müssen, mit weiteren Trennungen. In meiner Erfahrung sind die Kinder oft lange beschäftigt mit der Trennung der Eltern, der Frage nach dem „warum“ und der Sehnsucht nach der alten Ursprungsfamilie.

Soviel zum allgemeinen Hintergrund, ich liebe es konkret:

Was alles passiert, wenn man es “richtig” machen will
Neulich hatten wir Übernachtungsbesuch der Kinder bei uns. Es war eines der ersten Male, dass ein Freund zum Übernachten blieb. Ich bemerkte, wie ich es als Deutsche in einer mallorquinischen Familie “richtig” machen wollte, Essen kochen, was mallorquinische Kinder gern essen, cool und entspannt sein, so dass der Übernachtungsbesuch nachher denkt, er hätte auch gern so jemanden in seiner Familie – auch wenn es nicht die Mama ist – ja, ich bemerkte mein Ego, was gemocht werden wollte.

Wir hatten eine tolle Zeit inklusive Kostümparty und als am kommenden Tag der Abschied kam, wollte ich es wieder “richtig” machen und gab dem sehr symphatischen Übernachtungskind, mit dem ich viel Freude gehabt hatte, einen Abschiedkuss in dem Glauben, dass die Mallorquiner das so machen mit den Freunden ihrer Kinder. Die Erwachsenen geben sich schliesslich jeweils zwei Wangenküsse zur Begrüßung und zum Abschied. Als ich mich auf unseren Besuch zubewegte, um mich “richtig” zu verabschieden, bemerkte ich sofort an den Blicken der anderen, dass ich in dem Moment etwas “richtig falsch” gemacht hatte. Ich konnte mich dann innerlich noch ganz gut überzeugen, dass ich doch alles richtig gemacht hatte, kam schliesslich von Herzen, bis mir die Tochter meines Partners als wir später allein waren sagte: “Kerstin, entschuldige bitte, aber das geht gar nicht, dass Du den Freunden meines Bruders einen Abschiedskuss gibst. Mein Bruder wird sehr ärgerlich auf Dich sein.” Das sass… und ich sah, was sie meinte.

Kannst du die Unschuld sehen?
Gleichzeitig sah ich meine Unschuld, wie ich ganz unschuldig meine Gedanken geglaubt habe wie: “Mallorquinische Eltern verabschieden Übernachtungsbesuch ihrer Kinder sicher auf diese Weise”… und dann eben auf diesen Gedanken reagierte und entsprechend handelte… ich sah, wie ich mein Bestes geben wollte, wie ich gemocht werden wollte und sah meine Unschuld und gleichzeitig, wie mein Verhalten für unseren Jungen evt. peinlich war. Bei mir war eine automatische Kette abgelaufen, die Byron Katie nennt: Denken – Fühlen – Handeln – Haben. In meinem Fall, denken, dass man das hier so macht, das Bedürfnis fühlen, es richtig machen zu wollen, in Aktion gehen, mich auf den Besuch zuzubewegen mit den Ergebnis, dass alle Anwesenden irrtiert waren. All das war geschehen, weil ich etwas geglaubt habe wie: “Ich brauche, dass die anderen mich mögen” und “so macht man das hier.”

Die Zeit verging, ich fand keine Gelegenheit, den Sohn meines Partners darauf anzusprechen. Es blieb unausgesprochen. In mir blieb der Zweifel, ob der Junge sauer auf mich war, und ob er jemals wieder einen Freund zum Übernachten einladen würde… ich dachte, eher nicht…

Wie erlebe ich die Welt, wenn ich sie durch diese Brille betrachte?
In der Zwischenzeit gab ich ein Seminar mit The Work of Byron Katie auf Mallorca und hatte da die Gelegenheit, einige eigene stressvolle Gedanken über den Sohn meines Partners mit The Work auf den Prüfstand zu stellen. Gedanken wie: “Er sollte offener zu mir sein, er sollte mehr Verständnis für meine Situation haben, er sollte sehen, dass ich es gut mit ihm meine etc…”

Die Seminarwoche zeigte Wirkung, ich spürte, wie ich mich mit jeder Work, mit jedem hinterfragten Gedanken immer mehr öffnen konnte für den Sohn meines Partners. Ich sah ihn ohne all meine Konzepte und Gedanken.

Ein Teil von The Work ist die Frage: Wer bist du ohne diesen Gedanken? Für mich ist dieser Teil der Work der, wo ich die Welt aus dem Herzen heraus betrachte und nicht durch die Brille meines Verstandes. Und aus dem Herzen geschaut, ist die Welt so viel freundlicher…

Nach dem Seminar begann eine neue Kinderwoche für uns. Ich freute mich auf die Kinder und war gespannt, wie sich die Veränderung, die ihn mir während der Work-Woche stattgefunden hatte, auf die Beziehung zum Sohn meines Partners auswirken würde. Beim ersten gemeinsamen Abendessen ergab sich die Gelegenheit, und ich fragte ihn: “Du, sag mal, damals weisst Du noch, als dein Freund bei uns übernachtet hat und ich ihm einen Abschiedskuss gegeben habe. War das doof?” Er sagte: “Ja.” Ich fragte ihn, ob sein Freund noch etwas darüber gesagt habe zu ihm. Und er sagte: “Nein, und wenn er etwas Negatives über Dich gesagt hätte, hätte ich ihm eine gehauen.”

Manchmal kommt es anders und meistens als man denkt
Nun war ich platt. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Ich war davon ausgegangen, dass ich ihm peinlich war und wäre nie auf die Idee gekommen, dass er mich vor seinem Freund verteidigen würde… ein Gefühl von Liebe, Dankbarkeit und Scham überkam mich. Scham, weil ich ihn so “falsch” gesehen hatte in all den Wochen. Ich hatte nicht mit dem Herzen gesehen, sondern nur mit dem Verstand. Und der Verstand greift meistens viel zu kurz, blendet Details aus, verzerrt die Inhalte und will vor allem beweisen, dass das, was er, der Verstand, eh schon glaubt, auch so ist. Das Herz hingegen katapultiert uns in die Tiefendimension, dahin wo alles möglich ist und wo es so viel mehr als eine Wahrheit gibt. Vielleicht ist das auch für dich eine Abkürzung bei der nächsten Auseinandersetzung oder Irritation, in die Tiefe zu gehen und zu fragen, wie das Ganze mit dem Herzen betrachtet anders aussieht.

Byron Katie sagt dazu:

“Die Realität ist so viel freundlicher als unsere Geschichten über sie.”

Dafür liebe ich The Work – sie hilft mir, immer mehr, mit dem Herzen zu sehen.

Viel Freude beim Ausprobieren.

Kerstin

Weitere Infos zum Thema:
Wochenendseminar mit The Work in Berlin:

Mit dem Herzen sehen – Wie Du mit The Work harmonische Beziehungen leben kannst
10.-11. Februar 2018 im ifapp Berlin
Frühbuchtarife bis 15. Dezember 2017
Infos & Anmeldung hier

Foto: Cerstin Deppe-Dingeldey

Wie ist das, was gerade passiert, das Beste, das mir passieren kann?

Oder wie das freundliche Universum mir geholfen hat, mein “Ja” zu mir selbst zu finden…

Diejenigen von euch, die The Work of Byron Katie kennen, haben diese Frage vielleicht schon des öfteren in Seminaren, Coachings oder einfach in einer Work mit jemand anderem gehört: Wie ist das, was gerade passiert, das Beste, was mir gerade passieren kann? Diese Frage ist je nach Situation und Flexibilität des Geistes unter Umständen eine Herausforderung, für manche vielleicht sogar eine Provokation und für andere kann diese Frage eine Trainingseinheit sein, die sie bereit sind, täglich zu machen.

Ich möchte das einem konkreten Beispiel deutlich machen, wie ich finden konnte, dass das, was gerade passiert, das Beste ist, das mir passieren kann.

Diejenigen von euch, die mich kennen oder meinen Blog verfolgen, wissen vielleicht, dass ich in einer Patchworkkonstellation lebe mit meinem Partner, seinem Sohn und seiner Tochter. Die Kinder sind jede zweite Woche eine Woche bei uns. Seit einigen Jahren und immer mehr seit ich über 40 bin beschäftigt mich die Frage, ob ich selbst gerne Mutter werden möchte. Bisher war meine eigene innere Zerrissenheit, das Für und Wider und das Abwägen oft eine große Belastung für mich. Soviel zu den groben Koordinaten.

Kommen wir zurück zu der Frage: Wie das, was passiert, das Beste ist, was passieren kann?

Am letzten Sonntagabend mit den Kindern wiederholte sich eine Situation, die ich schon oft erlebt habe. Die Kinder gehen ins Bett, geben Papa Küsschen, Gute Nacht Papa, ich liege auch im Bett und zu mir sagt kein Kind Gute Nacht. In solchen Momenten schiessen Gedanken in meinen Kopf wie: “Ich gehöre nicht dazu, ich bin ihnen nicht wichtig, sie sind egoistisch, schlecht erzogen, etc.” – und wenn ich diese Gedanken glaube, reagiere ich mit Gefühlen auf diese Gedanken, in meinem Fall oft Trauer und Enttäuschung. So also auch wieder letzten Sonntag. Der Große geht ins Bett und sagt mir nicht Gute Nacht, nur Gute Nacht Papa. Ich schwieg wie so oft, verdrückte ein paar Tränen ins Kopfkissen und schlief ein. Am nächsten Morgen wachte ich auf, sofort wieder mit der Geschichte vom Vorabend im Kopf, die Putzfrau sollte kommen, und ich fand die Kinderzimmer extrem unaufgeräumt vor. Ich kam in die Küche, die Kinder begrüßten mich nicht.  Plötzlich explodierte ich, was sehr selten vorkommt. Ich sagte allen dreien ganz unzensiert, wie ich mich fühlte, wie sauer ich gerade war und was für mich gerade in dem Moment nicht funktionierte. Schweigen…

Im Anschluss verliessen die Kinder das Haus, der Große wiederholt ohne mir Tschüss zu sagen. Sein Vater schickte ihn darauf zurück zu mir, und ich fühlte mich so blöd wie eine alte, schrullige Tante, der man kein Küsschen geben soll und die Eltern sagen: “Komm gib der Tante mal ein Küsschen.”

Als der Sohn meines Partners also vor mir stand und Tschüss sagte, bat ich ihn kurz herein. Wir sahen uns länger als sonst in die Augen. Ich sagte zu ihm:”Danke, dass du mir Tschüss sagst. Weisst du, es tut mir weh, wenn du mich wie Luft behandelst. Ich habe dich lieb und du bist mir wichtig.” Darauf lächelte er und nahm mich in den Arm und ging.

Die drei fuhren zur Arbeit und zur Schule und kaum war die Tür geschlossen, brach es aus mir heraus. Die Tränen flossen, viele, viele schmerzvolle Gedanken schossen mir durch den Kopf. Ich fühlte mich als Opfer, wie ein ungeliebtes Aschenputtel, das gut genug ist, aufzuräumen und die schönen Dinge, die Küsse und die lieben Worte, die gibt es nur für Papa und Mama… Ich ging zum Sport und beobachtete weiter all die Gedanken, die mich quälten. Ich überlegte, die Gedanken zu worken, sie zu hinterfragen, wie ich es sonst so oft mache mit der Work, wenn ich verwirrt bin.

Dieses Mal war es anders.

Ich bemerkte, wie das Verhalten des Jungen etwas in mir triggerte, ich bemerkte ein tiefsitzendes Bedürfnis. Da war der Wunsch nach Zugehörigkeit, der Wunsch Mutter zu sein, der Wunsch, eine Familie zu gründen und das Wunder zu erleben, wovon die Eltern oft sagen, dass es nichts gibt, was so schön ist wie das. So entstand der Entschluss, dieses Mal nicht zu worken, sondern genau das zu tun, wovor ich mich seit Jahren drückte: Mir einzugestehen, was ich mir wünsche und das zu äussern. Also tat ich etwas, vor dem ich große Angst hatte. Ich teilte mit meinem Partner meine Trauer, meine Ängste, meine Sehnsüchte. Ganz unzensiert – ich zeigte mich mit allem Unaufgeräumten in mir. Ich hatte Angst, dass er sich von mir zurückziehen würde, mich verlassen würde oder meine Ehrlichkeit andere Konsequenzen haben könnte.

Was passierte war genau das Gegenteil.

Ich erhielt Verständnis von ihm und Beistand.

Dieser Moment war magisch für mich. Auf einmal spürte ich die Kraft, selbst bedingungslos “ja” zu mir zu sagen. Das allein war schon magisch und als Sahnehäubchen oben drauf hatte ich auch noch ein “Ja” von meinem Partner zu mir erhalten. Und plötzlich merkte ich, wie nun auf einmal die Zukunft sehr unwichtig wurde. Es war mir aufeinmal gar nicht mehr so wichtig, ob ich nun irgendwann ein eigenes Kind bekommen würde oder nicht. Was ich gebraucht hatte war mein “ja” zu mir und für mich einzustehen.

Was ich daraus für mich gelernt und mitgenommen habe ist:

1. Das was gerade passiert, ist das Beste für mich. Ich sah auf einmal die Zurückhaltung der Kinder mir gegenüber als Wegbereiter, zu spüren, was ich mir wirklich wünsche. Sie haben mir zur Klarheit geholfen und dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

2. Das Ergebnis ist nicht entscheidend, sondern wie ich mit mir auf dem Weg umgehe.Werde ich Mutter, oder nicht? Keine Ahnung… entscheidend ist, ob ich mein “Ja” zu mir selbst lebe.

3. Starke emotionale Reaktionen weisen mir den Weg in die Tiefe, wenn ich nicht im Opfermodus stecken bleibe, sondern eine Station tiefer schaue, worum es eigentlich geht.

4. Das Universum ist freundlich und alles geschieht für mich, auch wenn ich das auf den ersten, zweiten oder dritten Blick noch nicht sehen kann.

5. Zufriedenheit hängt nicht von den “Resultaten” ab, sondern von meiner inneren Haltung, mir selbst, den anderen und dem Universum gegenüber.

Bis zum nächsten stressvollen Gedanken 😉

Alles Liebe,

Kerstin

Sie sollte nicht so zickig sein

Sie sollte nicht so zickig sein – Was für ein Geschenk!

Mein Freund und Mentor Ralf Giesen hat vor einigen Jahren gesagt: “Jeder stressvolle Gedanke ist wie ein Geschenk, das du noch nicht ausgepackt hast.”

Heute kann ich sagen, dass das in meiner Erfahrung stimmt. Gestern durfte ich wieder so ein Geschenk auspacken.

“Sie (die Tochter meines Partners) sollte nicht so zickig sein”. Das habe ich gestern geglaubt, als sie wütend einen Stuhl umwarf als ich ihrem Bruder Recht gab, der sich über die ungerechte Aufteilung des verbliebenen Saftes beschwerte. Sie hatte sich das Glas voll gemacht und ihm einen kleinen Minischluck ins Glas gegeben. Anschliessend war die letzte Flasche Pfirsichsaft im Haus leer. Ich bat sie, gerecht zu teilen, woraufhin sie einen Wutanfall bekam und behauptete, sie hätte schliesslich den Saft beschafft, worauf ich schon wütend antwortete, dass der Saft für alle sei und ich ihn gekauft habe. Nun ja, den Rest kann man sich vorstellen… Wir assen nicht zu viert, sondern nur zu dritt. Madam zickte, und ich brodelte vor Wut – immer noch glaubend, sie sollte nicht so zickig sein.

Irgendwann kam sie dann zum Essen – immer noch gereizt und sprach keinen Ton mit mir. Dann bekam ich einen Anruf von meiner Mutter – am Muttertag- und ich ging ein paar Meter weiter weg, um mit meiner Mutter zu telefonieren. Ich lachte mit meiner Mutter und sah aus den Augenwinkeln, wie sich die Tochter meines Partners die Ohren zuhielt. Da lief bei mir innerlich das Fass über.

Als dann auch noch der Vater mit Engelszungen auf die Kleine einging, brannte bei mir innerlich die Sicherung durch. In meiner Welt gab es keinen Grund nun auch noch überfreundlich zu ihr zu sein, in meiner Welt, sollte sie sich für ihr Verhalten entschuldigen.

The Work sei dank verliess ich erst einmal das Terrain und zog mich zurück um meine Gedanken zu beobachten:

“Sie sollte nicht so zickig sein, sie ist unverschämt, ein egoistisches, verzogenes Blag, sie muss sich bei mir entschuldigen usw.” schoss es mir durch den Kopf.

Ich begann zu worken – was bedeutet, in Frage zu stellen, was ich glaube.

Sie sollte nicht so zickig sein – war der erste Gedanke, den ich untersuchte.

1.     Ist das wahr?

Ja.

2.     Kann ich absolut sicher wissen, dass das wahr ist?

Ja.

3.     Wie reagiere ich, wenn ich das glaube, dass sie nicht so zickig sein sollte?

Wütend, in Rage, ich hasse sie in dem Moment, ich will sie nicht sehen und nicht hören, ich bin froh, dass sie vom Tisch aufgestanden ist und nicht mit uns isst, ich könnte ihr den Hals umdrehen, ich habe den Drang, ihren Vater zu bitten, sie zurecht zu weisen, ich würde am liebsten ins Auto steigen und weg fahren, ich freue mich, dass sie morgen für eine Woche zu ihrer Mutter geht….

4.     Wer bin ich ohne den Gedanken, dass sie nicht so zickig sein sollte?

Ich nehme wahr, dass sie 10 Jahre alt ist und ich nicht wissen kann, was gerade in ihrem Kopf vorgeht. Ich nehme wahr, dass die Kinder viele Konflikte miteinander haben und es ggf. eine Verknüpfung in ihrem Kopf gab, die mir nicht bekannt ist, ich würde mich freuen über das schöne Wetter und dass wir draussen essen können. Ich würde wahrnehmen, wie kooperativ ihr Bruder auf einmal ist und sogar den Tisch abräumt. Ich würde den Vater sehen, der darunter leidet, dass es diesen Stress gibt. Ich hätte Mitgefühl mit allen Beteiligten, die gerade gestresst sind, inklusive mit mir hätte ich Mitgefühl. Mein Puls wäre ruhiger. Ich würde das ganze nicht so wichtig nehmen und schon gar nicht persönlich gegen mich gerichtet sehen. Ich wäre mir dankbar, dass ich meine Position zum Teilen geäussert habe und würde vertrauen, dass dieser Samen vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt aufgeht…

Wie kann man das nun anders sehen?

Sie sollte nicht so zickig sein.

Mein erster Perspektivwechsel ist: 
Ich sollte nicht so zickig sein.

1.     Beispiel: Ich war innerlich SEHR zickig und das war energetisch sicher spürbar und nicht hilfreich.

2.     Beispiel: Ich sollte nicht so zickig sein, und gleich solche Endzeitgedanken haben, sondern diesen Moment der Entgleisung weniger wichtig nehmen.

3.     Beispiel: Ich sollte nicht so zickig sein und ihr zugestehen, dass das anscheinend gerade zu ihrer Entwicklung gehört und es nicht so persönlich nehmen.

Zweiter Perspektivwechsel: 
Sie sollte so zickig sein.

1.     Beispiel: Weil sie mich gebeten hat, genau diesen Saft zu kaufen und er daher evt. in ihrer Welt mehr ihr gehörte als ihrem Bruder.

2.     Beispiel: Weil sie ein paar Stunden vorher einen Pfirsichjogurt essen wollte, ebenfalls der letzte, und als sie ihn gerade aufgemacht hatte, ihr Bruder ihn probieren wollte. Sie ekelt sich davor, mit anderen das Essen zu teilen. Ihr Bruder ging zweimal mit dem Löffel in den Joghurt und sie überliess ihm den Joghurt ohne Drama. Vielleicht war der Saft der letzte Tropfen, der ihr Fass zum Überlaufen brachte.

3.     Beispiel: Sie sollte so zickig sein, weil ich mich meistens nicht ungefragt in Erziehungsfragen einmische und falls doch meistens auf ihrer Seite bin und sie das vielleicht enttäuscht hat.

Dritter Perspektivwechsel: 
Sie sollte nicht so entspannt sein.

Hmm… mal sehen… gar nicht so einfach…

1.     Beispiel: Sie hat nur einen Stuhl umgeworfen und nicht mich oder jemand anderen beschimpft.

2.     Beispiel: Sie drückt aus, wenn ihr etwas nicht passt und frisst es nicht in sich hinein.

3.     Beispiel: Im Vergleich zu ihrem Bruder reagiert sie sehr oft entspannt, wenn er sie ärgert, von daher ist es vielleicht gesund, wenn sie mal zickig ist.

4.     Damit ich überprüfen kann, wie ich zu ihr stehe, ob ich sie nur mag, wenn sie meinen Vorstellungen entspricht oder ob ich sie auch zickig lieben kann.

Nach dieser Work war mein Puls deutlich ruhiger. Da war noch das Thema, dass sie sich die Ohren zugehalten hat, was mich besonders getroffen hat. Vor allem, nachdem wir einen wunderbaren Vormittag zu zweit allein zu Hause hatten, stundenlang zusammen Lego gebaut haben, und ich vorgestern ihren ganzen Kindergeburtstag vorbereitet hatte trotz dicker Backe nach gezogenem Weisheitszahn… Hm… ich war also wohl der Meinung, dass ich das nicht verdiene.

Wenn ich dann schaue, was ich für sie empfunden habe in Frage Nummer 3, also wie ich reagiere, wenn ich glaube, sie sollte nicht so zickig sein, dann war ihr Ohren zuhalten wohl freundlicher als alles, was mir durch den Kopf gegangen ist.

Irgendwann kam sie dann in das Zimmer in dem ich workte. Sie hatte das Legoauto in der Hand, das sie dann ohne mich ganz allein zusammen gebaut hat. Sie hat es mir nicht gezeigt und fragte, wo ihr Vater sei. Da hätte ich gleich losheulen können…. Jetzt zeigt sie mir nicht mal das Auto, an dem wir zusammen den ganzen Vormittag gebaut haben… ich antworte sehr freundlich, dass ich nicht wisse, wo ihr Vater sei. Dann kamen der Vater und sie zurück mit dem Auto und der Vater bat sie, es mir zu zeigen. Sie war verlegen und schüchtern. Auf einmal ging mein Herz auf. Ich sah, dass sie keinen anderen Weg zu mir gefunden hatte und testete, ob sie sich wieder annähern kann.

Später bat sie mich dann mitzukommen auf einen Spaziergang. Ich war immer noch etwas zickig und sagte, ich wolle Zuhause bleiben wegen meiner dicken Wange. Sie war traurig und bat mich erneut und sagte, wir wollten alles etwas zusammen machen. Das erreichte mich und ich ging mit.

Wir haben dann noch den ganzen Abend gespielt, Just Dance, Dinge raten etc. Und viel gelacht.

Das Geschenk, das ich auspacken durfte war, wieder einmal zu lernen, dass es oft nicht nachvollziehbar ist, warum jemand so reagiert, dieses oder jenes sagt oder nicht sagt… und jeder hat gute Gründe, die der eigene Verstand verbittert rechtfertigt.

Es gibt ein chinesisches Sprichwort das sagt ungefähr: “Jedes Ding hat drei Seiten: Eine Seite, die ich sehe, eine Seite, die du siehst und eine Seite, die niemand von uns beiden sieht.” Die Seite, die niemand von uns beiden sieht, wird für mich durch die Work sichtbar – wenn der Kopf fragt und das Herz antworten darf.

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Über Gurus, Selbstliebe und wer noch so meine Knöpfe drückt…

Vor drei Wochen war ich im Kosmetiksalon der Mutter der Kinder meines Partners zur Maniküre. Als ich bezahlte, kam ihre Tochter herein und begrüßte mich recht kühl mit “hallo” – kein Küsschen, nichts weiter. Wir leben auf Mallorca, hier ist es in der Regel üblich, sich mit zwei Küssen auf die Wange zu begrüßen oder zu verabschieden. Ich behielt nach Außen die Fassung und ging zu meinem Auto. Ich wusste, dass ich die Kinder aufgrund einer Reise nun drei Wochen nicht sehen würde. Seit dieser Begebenheit beschäftigt mich der Gedanke: “Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.” Beweise, dass ich damit Recht habe, fallen mir gerade viele ein. Ich könnte euch von vielen Situationen erzählen, in denen ich die Tochter oder auch beide Kinder so erlebt habe. Das wäre wohl der traditionelle Weg. Ich erzähle meine Geschichte und im besten Fall findet sich jemand, der mich versteht, mich in meiner Meinung bestärkt oder mich vielleicht sogar etwas bemitleidet.

Verlassen wir einmal den traditionellen Weg und begeben uns auf einen anderen Weg, nämlich den Weg mit The Work of Byron Katie, bei dem es darum geht, in Frage zu stellen, ob das, was wir glauben, wahr ist.

Was macht man nun mit so einem hartnäckigen Gedanken, der sich nicht gut anfühlt?

In meiner Erfahrung gibt es genau zwei Möglichkeiten:
1. Ich werde zum Opfer und glaube mir die Geschichte und beginne zu leiden.
Oder:
2. Ich erkenne, dass es sich um einen Gedanken handelt und beginne den Prozess des Hinterfragens.

Heute fällt die Entscheidung für die zweite Option: Hinterfragen!
Und nun ein Durchlauf zum warm werden. Ich hinterfrage folgenden Gedanken mit The Work.

“Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.”

1. Ist das wahr?

Ich schliesse meine Augen, versetze mich in die Situation im Kosmetiksalon der Mutter, die Kleine kommt herein, sagt Hallo zu mir und geht hinter die Theke zu ihrer Mutter und küsst sie. Nun beginnt eine Minimeditation: Ist das wahr? Sie ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir. Ist das wahr? Der Kopf fragt und das Herz darf antworten. Dabei lasse ich mir Zeit. Und schwanke, mal taucht ein Ja auf, dann ein Nein, dann wieder ein Ja… meine Antwort in diesem Moment ist: Ja, es ist wahr.

2. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist, dass die Tochter deines Partners in der Öffentlichkeit abweisend zu dir ist?

Es beginnt eine erneute Minimeditation. Der Verstand fragt, das Herz darf antworten. Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass sie abweisend zu mir in der Öffentlichkeit ist? Ja, nein, ja, nein, nein, ja…. Ich bin immer noch bei ja, und das ist total ok, denn es gibt bei The Work keine richtigen oder falschen Antworten – es gibt nur deine Antworten. Also: Ja.

3. Wie reagierst du und was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?

Die Tochter deines Partners in der Öffentlichkeit abweisend zu dir.

Ich reagiere traurig, enttäuscht. Verkrampfe, wenn ich sie in der Öffentlichkeit sehe, gehe davon aus, dass es dieses Mal wieder so sein wird wie letztes Mal, versuche nach aussen die Fassung zu wahren und mir nichts anmerken zu lassen, ich fühle mich allein, verraten, im Stich gelassen, als Aussenseiterin, beschämt, werde still, möchte allein sein und weinen. Ich lehne die Tochter meines Partners ab in dem Moment. Ich werde zum Opfer und versinke in einem Strudel negativer Gedanken. Es tauchen Bilder aus der Vergangenheit auf, wo ich sie auch als abweisend erlebt habe. Mein Herz ist schwer und tut weh.

4. Wer wärst du ohne den Gedanken?

Die Tochter deines Partners in der Öffentlichkeit abweisend zu dir.

In der Situation, im Kosmetiksalon der Mutter.
Ich wäre überrascht, sie zu sehen, würde mich freuen, sie noch einmal zu sehen, bevor ich verreise. Ich würde wahrnehmen, dass sie mit schlechter Laune ankam und sagte, ihr sei sehr heiss. Ich würde wahrnehmen, wie freundlich und zugewandt ihre Mutter zu mir ist und wäre dankbar für die gute Verbindung, die wir mittlerweile haben. Ich hätte Mitgefühl mit der Tochter, dass es vielleicht für sie schwierig ist, ihre Mutter und mich zu sehen und das noch nicht gewohnt für sie ist.

Ich wäre dankbar, dass sie einen merklichen Unterschied zwischen ihrer Mutter und mir macht, so dass ihre Mutter keinen Grund hat, eifersüchtig auf mich zu sein. Ich würde vertrauen, dass alles in Ordnung ist so wie es ist. Ich wäre erleichtert, dass es möglich ist, mit der Mutter und der Tochter in einem Raum zu sein. Ich würde das Hallo einfach als Information nehmen, wie die Tochter im Moment zu mir steht, was sich für sie richtig anfühlt und was nicht. Ich wäre erwachsen, reflektiert, bräuchte nichts im Außen, stark, zufrieden und offen.

Nun kehre ich den Gedanken um – was heisst, neue Perspektiven zu finden.

Der ursprüngliche Gedanke lautet:
Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.

Daraus wird: Die Umkehrung ins Gegenteil:

Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit nicht abweisend zu mir.

Meine drei Beispiele, dass das auch wahr oder wahrer ist:

1. Sie sagt Hallo.
2. Sie hat kurz gelächelt, bevor sie durch die Tür kam und mich durch das Fenster sah.
3. Sie hatte schlechte Laune und die hatte nichts mit mir zu tun.

Eine Steigerung dieser Umkehrung ist für mich:

Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit zugewandt zu mir.

Meine Beispiele:

1. Dafür, dass sie ihre Mutter und mich erst ca. 3 Mal zusammen erlebt hat, war sie recht entspannt.
2. Sie hat mich begrüßt.
3. Ich habe sie noch nie gefragt, wie es für sie ist, ihre Mutter und mich zu treffen, ich habe keine Ahnung, was in ihr vorgeht und falls sie stressige Gedanken dazu haben sollte, kann ich finden, wie sie mir zugewandt war bei diesem Treffen.

Nun kommt eine weitere Umkehrung: Ich vertausche die Personen.
Aus“Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.” wird:
Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu der Tochter meines Partners.

Drei Beispiele:

1. Ich habe ausser Hallo zu sagen und zu lächeln, kein Zeichen gegeben, dass ich sie umarmen möchte.
2. Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu ihr, da ich angespannt bin in solchen Situationen und mein Verstand in die Zukunft projeziert, dass sie wieder abweisend sein wird. Das ist vielleicht für sie spürbar.
3. Ich bin abweisend zu ihr, wenn mir wichtiger ist, dass sie mein Bedürfnis nach Nähe erfüllt, anstatt zu schauen, wie es dem Kind geht und was es gerade braucht – anscheinend genau diesem Abstand.

Und der letzte Perspektivenwechsel: Die Umkehrung zu mir selbst.
Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.
Meine drei Beispiele dafür, dass das auch wahr oder wahrer ist:

1. Ich weiss nicht, was in ihr vorging, und ich weiss, dass es mir nach dieser Begegnung schlecht ging – ein klares Zeichen, dass ich innerlich zu mir abweisend war.
2. Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu mir, wenn ich mich mit der Mutter vergleiche und mein Wohlbefinden davon abhängig mache, wie ihr Kind auf mich reagiert.
3. Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu mir, wenn ich mich hereinziehen lasse in die Geschichte, dass ich Zuwendung von aussen benötige, um mich vollständig zu fühlen.

Die letzte Umkehrung „Ich bin abweisend zu mir“ erinnert mich an das Buch von Byron Katie: Ich brauche deine Liebe. Stimmt das? – in diesem Buch habe ich viel gelesen nach einer Trennung von einem Partner. Und nun wird mir das Thema erneut präsentiert vom Universum. Dieses Mal nicht durch einen Mann, dieses Mal durch ein Kind.

Katie sagt: “Leute gehen nach Indien um einen Guru zu finden, aber das musst du nicht: du lebst mit einem. Dein Partner wird dir alles geben was du brauchst für deine eigene Freiheit.” Im Moment sind die Gurus in meinem Leben die Kinder meines Partners, die mir kontinuierlich zeigen, wo ich noch nicht frei bin, wann ich mich selbst verlasse und wann ich meine, ein Anrecht auf dieses oder jenes zu haben, oder dieses oder jenes verdient oder nicht verdient zu haben. Die Wirklichkeit zeigt mir, was wirklich wahr ist. Immer nur das, was geschieht und zwar genau dann, wann es geschieht und nicht, wann ich meine, es sei ein angemessener Zeitpunkt. Da bleibt mir nur “Danke” zu sagen – für diese Reise des Erkennen, Einsehen, Üben, Wieder gut machen, Loslassen und Vertrauen.

Heute kommen die Kinder wieder für eine Woche zu uns. Ich bin gespannt, welche Knöpfe bei mir noch zu drücken sind und werde berichten 😉

In diesem Sinne wünsche ich euch eine spannende Woche mit euren Gurus.

Alles Liebe

Kerstin