Das Schlimmste, das passieren kann … ist vielleicht gar nicht das Schlimmste?!

Ein Gedanke ist harmlos, bis du ihn glaubst.“ – Byron Katie

Kennst du das? Horrorszenarios vom Schlimmsten, das passieren kann? In meinen Coachings ist das Schlimmste oft ein großes Thema. Als Selbständige kenne ich gut die Panik vieler meiner Klient/innen vor dem Bankrott (gerne nachts um halb 3 und interessanterweise oft unabhängig davon, wie gut oder schlecht es finanziell gerade tatsächlich läuft).

Vielleicht ist bei dir gerade das Schlimmste, das passieren kann, dass du einen Auftrag oder einen Job nicht bekommst? Vielleicht, dass eine medizinische Untersuchung ein schlimmes Ergebnis bringt? Dass dein/e Partner/in dich betrügt, verlässt oder stirbt? Dass deinem Kind etwas zustösst? Dass dein guter Ruf durch einen Fehler vernichtet wird? Es gibt viele Varianten!

Allen gemein ist, dass sie eine Flut von Gedanken, dunklen Zukunftsvisionen und unangenehmen Gefühlen mit sich bringen. Wir sehen das Schlimmste förmlich vor unseren Augen und nachdem das Gehirn nicht zwischen etwas Vorgestelltem und der Realität (in der das Schlimmste ja – noch – nicht eingetreten ist) unterscheiden kann, feuern schon diejenigen Neuronen, die für Panik und Bedrohung, Trauer und Verzweifung zuständig sind. So fühlen wir uns dann auch. Das Schlimmste erscheint irgendwie jetzt schon unausweichlich, fast schon greifbar. Plötzlich sehen wir auch überall die Vorboten! Das Konto, auf dem gar nicht mehr so viel Geld ist wie letzte Woche. Der Chef, der schon komisch schaut. Ein Ziepen im Rücken. Der Partner, der in letzter Zeit irgendwie abwesend scheint …

Die Frage ist, ob diese sorgenvollen und manchmal schon panischen Gedanken an die Zukunft eigentlich hilfreich sind? Ob uns das wirklich hilft, mit der Situation – sollte sie eintreten- gut umzugehen? Ob sie hilfreich sind, unser Leben jetzt – wo es ja noch nicht passiert ist – gut zu gestalten? Und damit meine ich nicht, dir stattdessen vorzumachen, dass das, vor was du Angst hast, bestimmt nicht passieren wird. Nein, ich meine, ob es wirklich hilfreich ist, sich auszumalen, wie es das Schlimmste ist? In meiner Erfahrung lähmt mich das oder es bringt mich in einen blinden Aktionismus. Ich bin von Angst getrieben und verliere den Zugang zu meinen Ressourcen, wie Kreativität, Freude, Zuversicht, Energie.

Deshalb überprüfe ich meine Sorgen vom Schlimmsten, das passieren kann, gerne mit The Work of Byron Katie  bzw. ich begleite meine Klient/innen durch den Prozess. The Work ist ein Prozess zum mentalen Stressmangement, der aus 4 Fragen und Umkehrungen besteht. Lies weiter, wenn du meine Untersuchung des Schlimmsten ansehen willst.Als Beispiel nehme ich das Horroszenario vom Bankrott, mein konkreter Gedanke ist: das Schlimmste, das passieren kann, ist dass ich nicht genug Geld verdiene (um meinen Verpflichtungen nachzukommen, meinen Lebensstandard zu halten, Steuern zu zahlen etc.). Falls das gerade nicht deine Sorge ist, dann nehme doch das, was für dich gerade das Schlimmste wäre.

1. Frage: Ist das wahr?

Ist es wahr, dass es das Schlimmste wäre, wenn ich nicht genug Geld verdiene?

Wenn ich mich in eine Situation versetze, in der ich den Gedanken geglaubt habe und Stress damit hatte, dann lautet die Antwort klar Ja!

2. Frage: Können Sie mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist, dass das das Schlimmste wäre?

Kann ich das sicher wissen? Hm, nein, ganz sicher kann ich das nicht wissen. Vielleicht wäre es ja gar nicht so schlimm, wie ich es mir ausmale?!

3. Wie reagieren Sie, was passiert, wenn Sie diesen Gedanken glauben?

Was passiert bei mir, wenn ich in einer Situation wirklich glaube, dass das Schlimmste, das passieren kann, ist, das ich nicht genug Geld verdiene?

Ich bekomme Panik. Mein Herz rast. Ich verspanne mich. Es ist gefühlsmässig fast so, als ob es schon passiert wäre. Ich verpasse mein Leben im Hier und Jetzt und bin schon in der vermeintlich unausweichlichen Katasthrophe. Alles Gute um mich herum verblasst. Ich fühle mich klein und schutzlos. Die Welt wirkt wie ein unsicherer Ort.

Ich sehe mich vor meinem geistigen Auge verarmen. Ich sehe mich als Versagerin. Ich mache mir Vorwürfe, mache mich nieder. Ich sehe eine Zukunft mit unangenehmen Briefen im Briefkasten, die ich ungeöffnet liegen lasse und mich verkrieche. Hartz IV, Brücke, Flaschensammler. Ich sehe schlaflose Nächte, Tränen.

Ich will aus Scham mit niemanden darüber reden. Ich denke, ich schaffe es nicht. Ich vergleiche mich mit anderen, die es vermeintlich besser schaffen. Ich fühle mich als Opfer. Ich sehe, wie ich meine Freunde verliere, meine Auftraggeber, weil mich alle für eine Versagerin halten.

Ich zweifle an der Qualität meiner Arbeit, denke ich bin nicht gut genug, wenn ich damit nicht genug verdiene.

Ich schwanke zwischen Lähmung und blindem Aktionismus, in dem ich fieberhaft überlege, wie ich mehr Geld verdienen könnte. Ich bin bereit, Dinge zu tun, die ich nicht wirklich tun will, nur um damit Geld zu verdienen. Ich gerate in Stress und arbeite zu viel.

Ich will mich mit meiner realen finanziellen Situation gar nicht befassen, meine Kontoauszüge gar nicht anschauen, vor lauter Angst, dass ich schon erste Hinweise darauf erkennen werde, dass ich nicht genug Geld habe.

Wie reagierst du, wenn du glaubst, dass das, was du dir darunter im Moment vorstellst, das Schlimmste wäre, das passieren kann?

4. Wer wären Sie ohne diesen Gedanken?

Wer bin ich, wenn ich das nicht glaube, dass es das Schlimmste wäre, wenn ich nicht genug Geld verdiene?

Das ist zunächst einmal schwer vorzustellen, denn die Sorge erscheint ja sehr real. Aufträge können wegbrechen, Kunden wegbleiben, die Ökonomie kann sich verändern, ich könnte krank werden etc. Es gibt viele Möglichkeiten, nicht mehr genug Geld verdienen zu können.

Aber wer bin ich, wenn ich nicht glauben würde, dass es das Schlimmste, also das Aus für mich wäre, wenn ich nicht mehr genug Geld verdiene?

Ich entspanne mich. Ich lande wieder im Hier und Jetzt und sehe all die guten Dinge um mich herum und dass ich – im Moment – genug Geld habe. Ich fühle mich sofort mehr mit meinem Leben verbunden.

Ohne den Gedanken, dass es das Schlimste wäre, bin ich dennoch offen für die Erfahrung, denn es könnte ja eines Tages passieren. Es geht ja nicht darum, nun zu denken, dass es nie passieren kann. Das wäre naiv. Ohne den Gedanken macht mir das jedoch keine so große Angst mehr.

Ich habe Vertrauen, dass es auch dann Wege gibt, ein glückliches Leben zu leben. Ich weiß, in meinem inneren Kern bin ich immer ok, auch ohne genug Geld (und was heißt schon genug?). Ich mache meinen Wert und den Wert meiner Arbeit nicht an meinem Verdienst fest.

Ich habe Hoffnung, dass ich die unangenehmen Dinge, die damit einhergehen, bewältigen kann. Dass ich daraus stärker hervorgehen werde, dass die Erfahrung für mich ist und nicht gegen mich, dass ich eine Menge daraus lernen werde, z.B. mit weniger zufrieden zu sein, mich einzuschränken, Freude an Dingen zu haben, die mit Geld nichts zu tun haben, wie Liebe und Freundschaften, Natur, Meditation u.v.m. Ich sehe die guten Dinge, in meinem Leben, die dadurch nicht weggehen, selbst wenn ich Hartz VI bekommen würde.

Ich bin voller Energie für meine Angebote einzustehen und das zu tun, was mir Freude macht. Ich bin durch Freude motiviert, nicht von Angst. Ich rede über das, was ich beruflich mache und bin stolz darauf.

Ich sehe, dass ich früher schon Krisen gemeistert habe und es keinen Grund gibt, warum das dann anders sein sollte.

Ich interessiere mich für meine finanzielle Situation und kalkuliere besser. Ich habe keine Scham, egal wie viel Geld auf meinem Konto ist. Ich spreche mit Leuten über Geld ohne mich zu schämen.

Vor allem die Scham wäre weg ohne den Gedanken. Dann wäre Geld einfach Geld und nicht etwas, das meinen Wert ausmacht.

Wer wärest du ohne den Gedanken? Und es geht nicht darum, dass es nicht passiern könnte, sondern wer du ohne die Geschichte wärst, dass es das Schlimmste wäre, das passieren kann? Zugegebenermaßen erfordert es etwas Mut, sich darauf einzulassen.

Umkehrungen

Nun wird der Gedanke auf verschiedene Arten umgekehrt und für jede Umkehrung werden Beipiele gefunden, wie sie auch wahr sein könnte bzw. wie sie etwas Wahres aussagt.

1. Umkehrung ins Gegenteil:

Das Gegenteil von „das Schlimmste“ ist „das Beste“!

Es wäre das Beste, was passieren kann, wenn ich nicht genug Geld verdiene.

Puh, das ist ein ganz schöner Hammer, nun Beispiele zu finden, wie das Schlimmste das Beste sein kann! Ich würde es verstehen, wenn du jetzt denkst, dass ich wohl nicht ganz dicht bin. Wenn du dich jedoch auf das Experiment einlässt, wer weiß, was du findst?

Meine Beispiele:

– Ich lerne, damit glücklich zu sein und mit wenig Geld auszukommen. Das könnte sogar spannend sein.

– Es gibt viele Menschen, die dabei sehr inspirierend sein könnten, z.B. Leute, denen das schon passiert ist und die damit umgehen lernten, Bettelmönche, glückliche Hart IV-Empfänger etc. Die könnte ich kontaktieren und kennen lernen.

– Manchmal ist es besser, dass die Dinge, vor denen ich Panik habe, passieren, damit ich einmal mehr erkenne, dass die Realität immer freundlicher ist, als die Geschichte, die ich über sie erzähle. (Das war schön öfter so: ich hatte vor etwas Angst, das dann in der Realität nicht so schlimm war, wie ich es mir vorgestellt hatte und am Ende wurde das Leben danach viel besser als vorher … und mir ist wirklich schon einiges an schlimmen Dingen passiert)

– Ich lerne die Scham zu überwinden und zu sehen, dass mich die meisten Leute dann nicht verstossen und ablehnen, sondern Viele mir sogar helfen.

– Ich kann eine Lösung finden und bemerken, dass ich mit der Situation umgehen kann und Kompetenzen und Stärken zeige, von denen ich noch gar nichts geahnt habe.

2. Umkehrung ins Gegenteil:

Hier gibt es eine zweite Umkehrung ins Gegenteil: Das Schlimmste, was passieren kann ist, wenn ich genug Geld verdiene. Das Gegenteil von „nicht genug“ ist ja „genug“.

Wie könnte es um Himmels Willen das Schlimmste sein, wenn ich genug Geld verdiene?

Hier meine Beispiele:

– ich habe dann immer Angst, weniger zu haben

– ich fürchte mich vor dem „Versagen“, das es bedeuten würde, nicht genug zu verdienen und stresse mich echt rein, um Geld zu verdienen

– ich vergesse die wirklich wichtigen Dinge im Leben

– ich gebe mein Geld für Blödsinn aus und fühle mich schuldig

– ich werde arrogant und verachte Leute, die weniger verdienen

– ich befasse mich nicht mit meinen stressigen Gedanken zu Geld

– irgendwann ist „genug“ auch nicht mehr genug

3. Umkehrung zu mir:

Für die dritte Umkehrung kehre ich alles zu mir um: Das Schlimmste, das passieren kann, ist, dass ich mich nicht genug verdiene.

Bingo! Das hört sich verdammt wahr an!

Meine Beispiele:

– Wenn ich meine Arbeit und meine Qualitäten nur am Geld fest mache und an mir zweifle und mich niedermache, wenn ich meiner Ansicht nach nicht genug verdiene, dann verdiene ich mich nicht genug.

– Wenn ich im Außen nach dem Gefühl von Erfolg und Glück suche, verdiene ich mich nicht genug um zu erkennen, dass dieses Gefühl nur in mir zu finden ist.

– Wenn ich nicht dankbar bin, für das, was ich habe, dann wird es nie genug sein.

– Wenn ich nicht erkenne, dass es im Leben darum geht, zu leben … und sonst nichts. Am Ende steht keiner und will meine Kontosuzüge sehen (glaube ich zuimindest).

Das ist das Ende der Untersuchung. Ich fühle mich friedlich und zuversichtlich, dass ich auch damit umgehen könnte, wenn ich nicht genug Geld verdienen würde. Ohne das Horroszenario habe ich Zugang zu meinen Ressourcen und zu all den guten Dingen in meinem Leben.

Für mich ist offensichtlich, dass meine Horrovision vom Schlimmsten mir nicht hilft, mich besser auf diese Eventualität vorzubereiten – im Gegenteil beginne ich mich abzuwerten, verliere Energie und Lebenslust und den Zugang zu meinen Ressourcen. Ohne die Geschichte vom Schlimmsten bin ich paradoxerweise wesentlich besser darauf vorbereitet, wenn es wirklich passieren sollte. Das meint Byron Katie damit, wenn sie sagt, dass wir an unseren Gedanken leiden, nicht an der Realität.

Was für Umkehrungen und Beispiele hast du gefunden? Ich freue mich über Nachricht!