Über Rennradfahrer, Müllsäcke und andere Verfehlungen

Was haben Rennradfahrer auf Mallorca mit Mülltrenunng zu tun?
Auf den ersten Blick nicht wirklich viel…
Wer von euch im Frühjahr schon einmal auf Mallorca unterwegs war, der hat vielleicht den einen oder anderen Rennradfahrer gesehen. Bevorzugt sind die Radfahrer in kleineren oder größeren Gruppen unterwegs. Auf einer sehr kurvigen wunderbaren Landstrasse begegnete ich heute mehreren Zweier- und Dreiergrüppchen, die meistens nebeneinander fuhren. Ich verstehe das irgendwie, es hat wohl etwas mit Windschatten oder so zu tun, trotzdem bemerkte ich, dass ich begann, mich zu ärgern. Stressvolle Gedanken tauchten auf: “Kein Wunder, dass die Deutschen hier unbeliebt sind, wenn sie so rücksichtslos fahren.” usw. Ich beobachtete meine Gedanken: “Sie sollten hintereinander fahren. Sie sollten mehr Rücksicht nehmen, sie sollten…, sie sollten…” Dann tauchte auf einmal der Gedanke auf: “Ist ja interessant, wie ich mich gerade über diese Radfahrer ärgere.”

Plötzlich kam ich an einer großen Mülltonne vorbei. Dort habe ich schon öfter unseren Müll entsorgt. Und zwar zu meiner Beschämung all den zu Hause getrennten Müll in die eine große Tonne an der Strasse. „Aha! Du regst dich über die Radfahrer auf? Was machst du denn als Gast auf Mallorca, über das sich andere zu Recht aufregen könnten? Dann fange erst einmal bei dir selbst an Kerstin und bringe ab jetzt immer den Müll in die entsprechenden Tonnen, auch wenn das Umwege bedeutet.“

Wie Ärger ein Wecker zum Aufwachen sein kann
Auf einmal wurde mit klar, was es bedeuten würde, wenn jeder von uns, genau in dem Moment, wo er anfängt sich über eine andere Person aufzuregen, so etwas wie einen Stoppknopf hätte oder im Work-Sinne einen „Kehre-es-zu-dir-selbst-um-Knopf“ oder auch „Kehre-vor-deiner-eigenen-Tür-Knopf“. Dann wäre das Miteinander wohl ziemlich anders. Auf einmal wäre jedes “Ärgernis” im Außen eine große Wachstumschance für mich persönlich.

Also auf den zweiten, etwas tieferen Blick haben nicht nur die Rennradfahrer etwas mit der Mülltrennung zu tun – alles hat etwas mit allem zu tun.

Das „Go first“-Prinzip
Dann kam mir das sogenannte „Go first“ Prinzip von Byron Katie in den Sinn, was ich so übersetzen würde: Gehe du zuerst. Mache du den ersten Schritt. Wenn du denkst, es ist so einfach für die anderen, dieses oder jenes zu ändern, beginne du, in deinem Leben aufzuräumen.

Mein Resümee für heute ist, dass ich ab jetzt mein Bestes geben werde, jedes Mal, wenn ich mich über einen anderen Menschen aufrege, bei mir hinzuschauen, welche Müllsäcke ich noch im Keller habe, und was ich ab jetzt konkret dafür tun werde, diese Müllsäcke korrekt zu entsorgen. Und wenn ich das wieder vergessen sollte, erinnert mich bitte daran. Codewort: Müll.

In diesem Sinne wünsche ich euch einen guten Start in die neue Woche!

Alles Liebe,

Kerstin

Über Opfer, die mit dem Kopf durch die Wand wollen und andere Pannen

Neulich hat mich ein guter Freund gefragt, wie es mir geht. Ich schrieb ihm, dass es mir gerade sehr gut gehe und ich auch mit den Kindern meines Partners eine sehr gute Zeit habe. Ich schrieb ihm, dass ich mich neulich erinnert habe, was für “krasse” Sachen früher mit den Kindern passiert sind, und das ich heute sehr viel Mitgefühl mit den Kindern habe.

Zum Beispiel ist eines der Kinder einmal weggelaufen aus dem Haus der Grosseltern, als ich zum Essen eingeladen war. Das Kind wollte mich weder sehen, noch mit mir an einem Tisch sitzen. Wir lebten damals noch nicht zusammen. Ich erinnere mich noch gut, wie sehr verletzt ich mich damals fühlte, wie traurig ich darüber war und mich als Opfer gesehen habe. Von Mitgefühl war ich weit entfernt. Ich war enttäuscht, traurig und wütend. Ich wollte zurückgeliebt werden und ganz tief in mir war eine Stimme, die das trotzig einforderte, eine Stimme, die mir einflüsterte, ich habe ein Recht darauf. Ich glaube, da hat das Ego zu mir gesprochen.

Wie kommt es, dass aus einem Opfer ein mitfühlender, verständnisvollerer Mensch wird?

Wenn ich das Ganze in der Rückschau betrachte, sehe ich einen wesentlichen Punkt, der vielleicht alles verändert hat. Durch die heftige Zurückweisung der Kinder, die ich manchmal erlebt habe und die Verlustängste, dass die Partnerschaft das vielleicht nicht aushält, blieb mir nur ein Weg: Der zu mir selbst. Mich selbst so sehr zu lieben, dass ich die Liebe der Kinder oder die meines Partners nicht mehr zum Überleben brauche.
Das ist für viele von euch vielleicht keine Neuigkeit. Das weiss doch heutzutage fast jeder, dass man erst einmal sich selbst lieben muss, bevor man glückliche Beziehungen leben kann. Ja, ich wusste das auch. Theoretisch. Und bei jeder Erschütterung im Außen wurde mir klar, dass ich das zwar wusste, es aber nicht in mir integriert war, ich es nicht lebte.

Es war ein längerer Weg mit vielen Tränen, immer wieder Enttäuschung, Trauer und dem Gedanken, “Ich gehöre nicht dazu zur Familie”, was meint, zum Dreiergespann meines Partners und der Kinder.

Die Umkehrung zu mir selbst: “Ich gehöre nicht zu mir dazu.” war wohl damals viel wahrer. Nach aussen lebte ich ein selbstbestimmtes Leben, war Coach, Trainerin, ging zum Sport, traf mich mit Freunden, reiste oft beruflich allein oder zu meiner Familie nach Deutschland. Und doch, in mir drinnen, ganz tief drinnen gehörte ich nicht zu mir und war immer noch auf der Suche nach dem fehlenden Teil. Den sollte mir mein Partner und seine Kinder geben, mich bedingunglos lieben und mich als Teil ihrer Familie annehmen.

Die Stimme, die oft flüsterte “Kerstin, du hast auch ein Recht darauf, geliebt zu werden, du bist ein guter Mensch und gibst ja auch so viel, vor allem den Kindern…” war penetrant und dominant. Und das Universum war freundlich und präsentierte mir immer wieder Situationen , die mich enttäuschten: Weihnachtsbesuch auf dem Marktplatz – Keiner nahm meine Hand, Abschlussfeier in de Schule – die Kinder scheinen mich nicht zu kennen, die Kinder beantworten meine Nachrichten nicht…. Ich bekam so lange vom Universum eines auf den Deckel, bis ich endlich bereit war, aufzugeben und umzudenken. Viele Works über die Kinder haben nach und nach den Pfad geöffnet. An einem Tag, als es besonders weh tat, sprach eine andere Stimme zu mir, die sagte: “Es reicht. Gib auf und kümmere dich um dich. Du brauchst es, denn die Kinder wollen deine Aufmerksamkeit anscheinend nicht. Wie freundlich, denn so hast du mehr Energie für dich. Du bist diejenige, die dich gerade braucht.”

Ich begann, meinen Fokus auf meine Arbeit zu lenken, auf meine Freiberuflichkeit, die neue Webseite, ein Buch über Patchworkund The Work zu schreiben. Ich verabredete mich wieder häufiger mit Freunden in der Woche, in der die Kinder bei uns waren. Ich habe auch mal nicht gekocht und stattdessen gearbeitet, wenn ich gerade Arbeit hatte, habe keine Nachrichten mehr geschrieben, keine Geschenke mehr gemacht, keine Angebote gemacht, nur noch reagiert, wenn die Kinder auf mich zukamen und etwas mit mir machen wollten.

Es war magisch. Innerhalb von wenigen Wochen drehte sich alles.
Ich war in meiner Kraft, war bei mir, kümmerte mich um mich, die Kinder kamen immer häufiger auf mich zu, wollten mit mir spielen, mit mir in den Urlaub fahren, bei mir schlafen und aufeinmal wurde ein Bild gemalt mit einer Familie – und ich entdeckte meinen Namen in dem Bild. In dem Moment war es mir allerdings gar nicht mehr so wichtig – ein paar Monate vorher hätte ich viel dafür gegeben.

Was habe ich gelernt in der Zeit?

· Es ist für mich so wahr, was Byron Katie sagt: “Alles passiert für dich, nicht gegen dich.” Die Zurückweisung der Kinder hat mich gelehrt, mich selbst zu lieben.

· Noch einmal Katie: “Opfer sind die schlimmsten Täter.” Ich habe über mich gelernt, wie subtil manipulativ ich den Kindern gegenüber versucht habe zu erreichen, dass sie mich lieben. Das war übergriffig.

· Mangel ist immer ein Zeichen, dass ich selbst nicht bei mir Zuhause bin, mich selbst nicht an die Hand nehme oder mir selbst keine Familie bin.

· Wenn meine Probleme im Außen sich nicht verändern und evt. sogar grösser werden, könnte das ein Zeichen sein, dass ich mit dem Kopf durch die Wand will und nicht bereit bin, einen neuen Weg auszuprobieren.

· Nur, wenn ich kein Opfer bin, kann ich mitfühlend mit den anderen sein, mit dem, wo sie gerade stehen, was sie beschäftigt, was es ihnen unmöglich macht, sich anders zu verhalten – nur dann kann ich Zeit geben und glücklich sein mit mir, während die anderen machen, was sie machen

· Katie sagt oft:”Du bist verschont geblieben.” Die Kinder wollen nicht mit mir spielen, sondern mit Papa? Wunderbar, ich bin verschont geblieben und habe Zeit für mich. Die Kinder wollen nicht an meiner Hand gehen, sondern nur mit Papa? Wunderbar, so kann ich frei laufen, in meinem Tempo, in Geschäfte schauen und lernen, meine Hand zu halten.

· Es ist alles nur eine Frage der Perspektive, keine meiner Geschichten hat sich als wahr herausgestellt.

· Ich habe kein Recht, von den anderen geliebt zu werden und es ist meine Aufgabe, diesen Job zu übernehmen. So wie Katie sagt, den Job kann man nicht delegieren.

In diesem Sinne wünsche ich dir ganz viel Aufmerksamkeit.

Vielleicht kannst du dich beim nächsten Mal, wenn du zum Opfer wirst und meinst, etwas nicht zu bekommen, was dir zustehe, inne halten und still werden. Für mich war das Rezept zum Glücklichsein: Den Job annehmen, mich um mich selbst zu kümmern und die anderen ihr Leben leben zu lassen. Sie tun es sowieso.

Alles Liebe

Kerstin

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Unverschämtheiten und andere Irrtümer – Die gelebte Umkehrung

Am Ende einer Coachingsitzung fragen manche Klienten/innen: „Was mache ich denn nun mit der Erkenntnis?“ Oft sage ich: „Gar nichts.“ Denn in meiner Erfahrung integriert sich eine neue Erkenntnis von allein in mein Leben, wenn es eine wirkliche Erkenntnis war. Wenn ich mit einem/r Klienten/in worke, was bedeutet, dass wir Gedanken auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen, erkennen die Klienten/innen oft, dass das, was anfangs so wahr erscheint, gar nicht so wahr ist, und dass das Gegenteil oft mindestens genauso wahr ist, wenn nicht wahrer. Und gleichzeitig ist es in meiner Erfahrung so hilfreich und heilend, Prozesse nicht nur im Kopf stattfinden zu lassen, sondern das Verstandene oder Erkannte in die Praxis umzusetzen.

Das kann leicht an einem Beispiel verdeutlicht werden. Neulich hatte ich eine heftigere Auseinandersetzung mit der Tochter meines Partners. Wir leben nun seit 14 Monaten zusammen, sie ist 9, ich 40. Beim Spielen mir ihrer Cousine hatte sie sich weh getan und lief auf Strümpfen brüllend aus dem Haus, um ihren Vater zu suchen. Der war gerade mit dem Trecker unterwegs und hörte ihr Kreischen nicht. Ich ging hinterher, rief sie und wollte schauen, was ihr weh tat. Sie war nicht zu beruhigen, kreischte immer nur „Papa, Papa“ und wurde immer wütender. Ich sah, dass ihr Körper unversehrt war und versuchte, ihr zu erklären, dass ihr Vater gerade nicht hier sei. Sie liess sich nicht von mir beruhigen, schmiss sich auf den Boden, rannte weiter auf Strümpfen über den Acker. Langsam wurde ich ärgerlich, ich bat sie mehrmals, mit mir ins Haus zu kommen und sich Schuhe anzuziehen. Sie war immer noch ausser sich. Schliesslich hob ich sie hoch, und sie trampelte und schrie. Ich setzte sie wieder hinunter und ging wütend ins Haus. Sie kam nicht mit, und ich fuhr mit ihrer Cousine davon, da ich einen Termin hatte und ihrer Tante versprochen hatte, ihre Tochter zu ihr bringen. Lange Geschichte… das Ende vom Lied war, dass ich wahnsinnig wütend war und eigentlich gar nicht genau wusste, warum.

Ich traf mich mit einer Freundin in Palma, wir hatten ein schönes Abendessen und irgendwann erreichte mich eine Whatsupnachricht der Tochter meines Partners. Sie schrieb: „Ich verzeihe Dir.“ Und: „Es tut mir leid, ich wollte mich nicht so aufregen.“ Ich antwortete ihr, dass alles in Ordnung sei und bedankte mich für ihre Entschuldigung. Im Auto nahm ich mir dann Zeit genauer hinzuschauen. Welche Gedanken hatten meine starke Wut ausgelöst? Da tauchten sie auf: „Sie ist ein Papakind, sie will nichts von mir wissen, sie ist eine Zicke, das wird nicht gut gehen mit ihr und mir, sie sollte sich von mir trösten lassen, sie macht aus einer Mücke einen Elefanten, sie ist eine Dramaqueen, sie will immer im Mittelpunkt stehen, sie ist unverschämt mir gegenüber….“

Ich untersuchte den Gedanken „Sie ist unverschämt mir gegenüber.“ Das bezog sich auf den ersten Satz ihrer Whatsupnachricht: „Ich verzeihe Dir.“ Ich war immer noch wütend und in meiner Welt sollte sie mich um Verzeihung bitten und in meiner Welt hatte sie mir nichts zu verzeihen. Am Ende des Prozesses stellte ich fest, dass sie viele Gründe hatte, mir zu verzeihen. Ich sah, wie ich sie gegen ihren Willen hochgehoben habe. Ich sah, wie ich unheimlich wütend auf sie wurde und mit dieser Wut nicht in der Lage war, ruhig auf sie einzugehen, ich sah, wie ich ein Kräftemessen mit ihr begann und es um „meine“ Position im Vergleich zu Papa ging… Es gab also wirklich einiges zu verzeihen von ihrer Seite und ich empfand Demut, dass sie mir das mit ihren 9 Jahren beigebracht hat.

Die gelebte Umkehrung ist ein Bestandteil von The Work of Byron Katie. Byron Katie nennt es „The living turnaround“. In meinem Fall wurde aus „Sie ist unverschämt mir gegenüber.“ meine gelebte Umkehrung: „Ich bin unverschämt ihr gegenüber.“ Um von der Erkenntnis nun ins Tun kommen, vereinbarte ich mit mir selbst, jeden Tag drei Beispiele zu finden, woran ich erkennen konnte, dass ich ihr gegenüber unverschämt gewesen bin. Diese drei Beispiele schreibe ich mir auf. So unterstütze ich meinen Verstand dabei, diese neue Sicht noch mehr zu integrieren. Und ich habe festgestellt, dass es besonders nachhaltig ist, diese gelebten Umkehrungen mit anderen Menschen zu teilen, Und dafür möchte ich dir hier die Gelegenheit geben: Wenn du auch gerade eine Umkehrung lebst oder leben möchtest, kannst du hier deine Beispiele teilen. Ich fange mal an:
1. Beispiel: Ich bin unverschämt ihr gegenüber, wenn ich insgeheim erwarte, dass sie mich behandelt wie ihren Papa.
2. Beispiel: Ich bin unverschämt ihr gegenüber, wenn es mir nur darum geht, was „meine“ Position ist und keine Kapazität habe, bei ihr zu sein, da ich innerlich so mit meinem Ego beschäftigt bin.
3. Ich bin unverschämt ihr gegenüber, wenn ich sogar an ihrer Entschuldigung etwas auszusetzen habe, statt einfach dankbar dafür zu sein.

Viel Freude beim Entdecken!

Lieben Gruß

Kerstin

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Über Gurus, Selbstliebe und wer noch so meine Knöpfe drückt…

Vor drei Wochen war ich im Kosmetiksalon der Mutter der Kinder meines Partners zur Maniküre. Als ich bezahlte, kam ihre Tochter herein und begrüßte mich recht kühl mit “hallo” – kein Küsschen, nichts weiter. Wir leben auf Mallorca, hier ist es in der Regel üblich, sich mit zwei Küssen auf die Wange zu begrüßen oder zu verabschieden. Ich behielt nach Außen die Fassung und ging zu meinem Auto. Ich wusste, dass ich die Kinder aufgrund einer Reise nun drei Wochen nicht sehen würde. Seit dieser Begebenheit beschäftigt mich der Gedanke: “Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.” Beweise, dass ich damit Recht habe, fallen mir gerade viele ein. Ich könnte euch von vielen Situationen erzählen, in denen ich die Tochter oder auch beide Kinder so erlebt habe. Das wäre wohl der traditionelle Weg. Ich erzähle meine Geschichte und im besten Fall findet sich jemand, der mich versteht, mich in meiner Meinung bestärkt oder mich vielleicht sogar etwas bemitleidet.

Verlassen wir einmal den traditionellen Weg und begeben uns auf einen anderen Weg, nämlich den Weg mit The Work of Byron Katie, bei dem es darum geht, in Frage zu stellen, ob das, was wir glauben, wahr ist.

Was macht man nun mit so einem hartnäckigen Gedanken, der sich nicht gut anfühlt?

In meiner Erfahrung gibt es genau zwei Möglichkeiten:
1. Ich werde zum Opfer und glaube mir die Geschichte und beginne zu leiden.
Oder:
2. Ich erkenne, dass es sich um einen Gedanken handelt und beginne den Prozess des Hinterfragens.

Heute fällt die Entscheidung für die zweite Option: Hinterfragen!
Und nun ein Durchlauf zum warm werden. Ich hinterfrage folgenden Gedanken mit The Work.

“Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.”

1. Ist das wahr?

Ich schliesse meine Augen, versetze mich in die Situation im Kosmetiksalon der Mutter, die Kleine kommt herein, sagt Hallo zu mir und geht hinter die Theke zu ihrer Mutter und küsst sie. Nun beginnt eine Minimeditation: Ist das wahr? Sie ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir. Ist das wahr? Der Kopf fragt und das Herz darf antworten. Dabei lasse ich mir Zeit. Und schwanke, mal taucht ein Ja auf, dann ein Nein, dann wieder ein Ja… meine Antwort in diesem Moment ist: Ja, es ist wahr.

2. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist, dass die Tochter deines Partners in der Öffentlichkeit abweisend zu dir ist?

Es beginnt eine erneute Minimeditation. Der Verstand fragt, das Herz darf antworten. Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass sie abweisend zu mir in der Öffentlichkeit ist? Ja, nein, ja, nein, nein, ja…. Ich bin immer noch bei ja, und das ist total ok, denn es gibt bei The Work keine richtigen oder falschen Antworten – es gibt nur deine Antworten. Also: Ja.

3. Wie reagierst du und was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?

Die Tochter deines Partners in der Öffentlichkeit abweisend zu dir.

Ich reagiere traurig, enttäuscht. Verkrampfe, wenn ich sie in der Öffentlichkeit sehe, gehe davon aus, dass es dieses Mal wieder so sein wird wie letztes Mal, versuche nach aussen die Fassung zu wahren und mir nichts anmerken zu lassen, ich fühle mich allein, verraten, im Stich gelassen, als Aussenseiterin, beschämt, werde still, möchte allein sein und weinen. Ich lehne die Tochter meines Partners ab in dem Moment. Ich werde zum Opfer und versinke in einem Strudel negativer Gedanken. Es tauchen Bilder aus der Vergangenheit auf, wo ich sie auch als abweisend erlebt habe. Mein Herz ist schwer und tut weh.

4. Wer wärst du ohne den Gedanken?

Die Tochter deines Partners in der Öffentlichkeit abweisend zu dir.

In der Situation, im Kosmetiksalon der Mutter.
Ich wäre überrascht, sie zu sehen, würde mich freuen, sie noch einmal zu sehen, bevor ich verreise. Ich würde wahrnehmen, dass sie mit schlechter Laune ankam und sagte, ihr sei sehr heiss. Ich würde wahrnehmen, wie freundlich und zugewandt ihre Mutter zu mir ist und wäre dankbar für die gute Verbindung, die wir mittlerweile haben. Ich hätte Mitgefühl mit der Tochter, dass es vielleicht für sie schwierig ist, ihre Mutter und mich zu sehen und das noch nicht gewohnt für sie ist.

Ich wäre dankbar, dass sie einen merklichen Unterschied zwischen ihrer Mutter und mir macht, so dass ihre Mutter keinen Grund hat, eifersüchtig auf mich zu sein. Ich würde vertrauen, dass alles in Ordnung ist so wie es ist. Ich wäre erleichtert, dass es möglich ist, mit der Mutter und der Tochter in einem Raum zu sein. Ich würde das Hallo einfach als Information nehmen, wie die Tochter im Moment zu mir steht, was sich für sie richtig anfühlt und was nicht. Ich wäre erwachsen, reflektiert, bräuchte nichts im Außen, stark, zufrieden und offen.

Nun kehre ich den Gedanken um – was heisst, neue Perspektiven zu finden.

Der ursprüngliche Gedanke lautet:
Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.

Daraus wird: Die Umkehrung ins Gegenteil:

Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit nicht abweisend zu mir.

Meine drei Beispiele, dass das auch wahr oder wahrer ist:

1. Sie sagt Hallo.
2. Sie hat kurz gelächelt, bevor sie durch die Tür kam und mich durch das Fenster sah.
3. Sie hatte schlechte Laune und die hatte nichts mit mir zu tun.

Eine Steigerung dieser Umkehrung ist für mich:

Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit zugewandt zu mir.

Meine Beispiele:

1. Dafür, dass sie ihre Mutter und mich erst ca. 3 Mal zusammen erlebt hat, war sie recht entspannt.
2. Sie hat mich begrüßt.
3. Ich habe sie noch nie gefragt, wie es für sie ist, ihre Mutter und mich zu treffen, ich habe keine Ahnung, was in ihr vorgeht und falls sie stressige Gedanken dazu haben sollte, kann ich finden, wie sie mir zugewandt war bei diesem Treffen.

Nun kommt eine weitere Umkehrung: Ich vertausche die Personen.
Aus“Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.” wird:
Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu der Tochter meines Partners.

Drei Beispiele:

1. Ich habe ausser Hallo zu sagen und zu lächeln, kein Zeichen gegeben, dass ich sie umarmen möchte.
2. Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu ihr, da ich angespannt bin in solchen Situationen und mein Verstand in die Zukunft projeziert, dass sie wieder abweisend sein wird. Das ist vielleicht für sie spürbar.
3. Ich bin abweisend zu ihr, wenn mir wichtiger ist, dass sie mein Bedürfnis nach Nähe erfüllt, anstatt zu schauen, wie es dem Kind geht und was es gerade braucht – anscheinend genau diesem Abstand.

Und der letzte Perspektivenwechsel: Die Umkehrung zu mir selbst.
Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.
Meine drei Beispiele dafür, dass das auch wahr oder wahrer ist:

1. Ich weiss nicht, was in ihr vorging, und ich weiss, dass es mir nach dieser Begegnung schlecht ging – ein klares Zeichen, dass ich innerlich zu mir abweisend war.
2. Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu mir, wenn ich mich mit der Mutter vergleiche und mein Wohlbefinden davon abhängig mache, wie ihr Kind auf mich reagiert.
3. Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu mir, wenn ich mich hereinziehen lasse in die Geschichte, dass ich Zuwendung von aussen benötige, um mich vollständig zu fühlen.

Die letzte Umkehrung „Ich bin abweisend zu mir“ erinnert mich an das Buch von Byron Katie: Ich brauche deine Liebe. Stimmt das? – in diesem Buch habe ich viel gelesen nach einer Trennung von einem Partner. Und nun wird mir das Thema erneut präsentiert vom Universum. Dieses Mal nicht durch einen Mann, dieses Mal durch ein Kind.

Katie sagt: “Leute gehen nach Indien um einen Guru zu finden, aber das musst du nicht: du lebst mit einem. Dein Partner wird dir alles geben was du brauchst für deine eigene Freiheit.” Im Moment sind die Gurus in meinem Leben die Kinder meines Partners, die mir kontinuierlich zeigen, wo ich noch nicht frei bin, wann ich mich selbst verlasse und wann ich meine, ein Anrecht auf dieses oder jenes zu haben, oder dieses oder jenes verdient oder nicht verdient zu haben. Die Wirklichkeit zeigt mir, was wirklich wahr ist. Immer nur das, was geschieht und zwar genau dann, wann es geschieht und nicht, wann ich meine, es sei ein angemessener Zeitpunkt. Da bleibt mir nur “Danke” zu sagen – für diese Reise des Erkennen, Einsehen, Üben, Wieder gut machen, Loslassen und Vertrauen.

Heute kommen die Kinder wieder für eine Woche zu uns. Ich bin gespannt, welche Knöpfe bei mir noch zu drücken sind und werde berichten 😉

In diesem Sinne wünsche ich euch eine spannende Woche mit euren Gurus.

Alles Liebe

Kerstin