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Die Kinder sollten mehr mit mir sprechen… über Schweigen, die Suche nach LBA und unerfüllte Erwartungen

In Spanien haben die Kinder 3 Monate Sommerferien. Das ist eine lange Zeit für beruftstätige Eltern, die ihre Kinder, nicht unbeaufsichtigt zu Hause lassen wollen. Bereits im letzten Jahr haben die Kinder meines Partners uns informiert, dass sie in den kommenden Sommerferien nicht mehr in dieSommerschule gehen wollen, wo sie die letzten Jahre untergebracht waren. Nun gut, was dann?

Nun hat es sich ergeben, dass die Kinder bei einer Reiterwoche mitmachen können. Ich habe früher geritten und wunderbare Erinnerungen an die Jahre mit den Pferden, in der Natur, mit Freunden… und so habe ich mich dafür stark gemacht, einen Hof gefunden mit einer holistischen Ausrichtung, wo die Pferde artgerecht gehalten werden und ich die Philosphie dort sehr ansprechend fand.

So weit so gut…
Diejenigen von euch, die meinen Blog mitverfolgen, wissen evt. von mir, dass ich manchmal auf der Suche nach der LBA der Kinder meines Partners bin.
Was ist LBA? Das ist Liebe, Bestätigung und Anerkennung.
Ich zitiere Byron Katie: “Wenn ich ein Gebet hätte, wäre es dieses: Gott beschütze mich vor der Suche nach Liebe, Bestätigung und Anerkennung.”

Ich übe noch 😉

Und diese Woche hatte ich jeden Morgen die Gelegenheit zum Üben.

Da beide Eltern der Kinder berufstätig sind und ich meine freiberufliche Zeit oft gut einteilen kann, habe ich angeboten, die Kinder in der Mama-Woche jeden Morgen zum Reiten zu fahren. In unserer Patchworkgeschichte sind wir diese Woche neue Schritte gegangen, was heisst, dass ich jeden Tag die Kinder in der Wohnung der Mama abholte, und die Kinder mich jeden Tag mit ihrer Mutter erlebten, und ich die Kinder mit ihrer Mutter. Das sah jeden Morgen so aus, dass Mutter und ich uns nett begrüßten mit Küsschen und etwas Smalltalk und die Kinder an ihrer Mutter klebten und mir kaum “Guten Morgen” sagten. Weiter ging es dann im Auto, in dem spätestens dann geschwiegen wurde, wenn ein drittes Kind, das wir mitnahmen, hinzustieg.

Heute war mein letzter Tag als Kindertaxifahrerin und heute morgen habe ich während des morgendlichen Schweigen im Auto den Gedanken überprüft: “Die Kinder sollten mehr mit mir sprechen während der Fahrt.”

Wir fahren also schweigend im Auto. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kinder während der Fahrt mehr mit mir sprechen sollten. Nun beginnt The Work of Byron Katie:

Die Kinder sollten mehr mit mir sprechen während der Fahrt.

1.     Ist das wahr?
Nein.

2.     Die zweite Frage lautet: Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist? Und diese Frage fällt weg, wenn bei der ersten Frage, die Antwort “Nein” lautet.

3.     Wie reagiere ich und was passiert, wenn ich glaube, die Kinder sollten mehr mit mir sprechen auf der Fahrt?
Ich bin nervös, angespannt, in meinem Magen zieht es, ich bin nicht bei mir, unentspannt, ich bin in den Angelegenheiten der Kinder und der Eltern, ich vergleiche mich mit ihrer Mutter und ihrem Vater, ich lehne das Schweigen und die schweigenden Kinder ab, ich streite mit der Realität, ich hadere damit, dass ich jeden Morgen eine Stunde meiner Arbeits- oder Freizeit für diese Aktion zur Verfügung gestellt habe, ich glaube, die Kinder sollten sehen, was ich für sie tue und dankbarer sein, ich werde zum Opfer der schweigenden Kinder, bin wütend und enttäuscht.

4.     Wer wäre ich in der gleichen Situation ohne den Gedanken, die Kinder sollten mehr mit mir sprechen während der Fahrt?

Entspannt, ich würde innerlich meinen Tag strukturieren, über ein neues Projekt nachdenken, die wunderbare Landschaft wahrnehmen, mich freuen, dass ich Extrazeit mit den Kindern habe, da ich sie sonst in der Mama-Woche oft gar nicht sehe, ich wäre mir dankbar, dass ich meinen Teil zu ihrem Leben beitrage, ich wäre mir dankbar, dass ich sie unterstütze, ich würde Marina im Rückspiegel sehen und mich freuen über dieses wunderschöne, smarte und authentische Mädchen, ich würde all die Situationen wahrnehmen, in denen meine Oma, die eigentlich meine Stiefoma war oder meine Eltern viele Dinge für mich getan haben und ich damals gar kein Bewusstsein dafür hatte, dass das etwas Besonderes ist, ich würde die Zeit geniessen, in der es keinen Streit gibt und wir von dem Auto von A nach B getragen werden.

Wie kann man das ganze nun anders sehen? 
Drehen wir es mal um:

Aus “Die Kinder sollten mehr mit mir sprechen.” wird das Gegenteil:
Erste Umkehrung – erster Perspektivenwechsel:
Die Kinder sollten nicht mehr mit mir sprechen während der Fahrt:

1.     Beispiel: Sie tuen es nicht. Daher ist es wahrer. Auch wenn mein Verstand es gern anders hätte. Die Realität ist, sie sprechen nicht mehr mit mir, daher sollten sie es auch nicht tun.

2.     Beispiel: Sie sind sehr müde von der Woche. Die Mutter sagte mir, dass sie sie noch nie so k.o. gesehen hat und sie nicht viel reden, auch nicht, wenn sie die Kinder abgeholt hat.

3.     Beispiel: Es ist ein drittes Kind im Auto und beide Kinder sind schon in der Phase, in der alles irgendwie peinlich ist und da gehört die Freundin von Papa evt. auch dazu. Ist möglich.

Zweite Umkehrung – zweiter Perspektivenwechsel:
Ich sollte mehr mit den Kindern sprechen während der Fahrt:

1.     Beispiel: Indem ich weitere Fragen stelle, die mich interessieren. Vielleicht würden sie mehr erzählen, wenn ich weiterfragen würde. Da ich meistens nach 4-5 Fragen aufgebe, sollten sie nicht mehr mit mir sprechen, da ich auch nichts mehr frage.

2.     Beispiel: Ich hätte sie an Tag zwei oder drei fragen können, ob alles in Ordnung ist, da ich mich wundere, dass sie so still sind.

3.     Beispiel: Ich sollte innerlich mehr mit ihnen sprechen und ihnen sagen, dass es ok ist zu schweigen, dass es nicht ihr Job ist, mich zu unterhalten, also ihnen in Stille diese Botschaften senden.

Dritte Umkehrung – dritter Perspektivenwechsel:
Ich sollte mehr mit mir sprechen während der Fahrt.

1.     Beispiel: An diesem Punkt machte sich ein wohliges Gefühl in mir breit, denn durch das Worken, also das Überprüfen der Gedanken, sprach ich ja mit mir und es ging mir gut. Also ja, ich bin wohl diejenige, die am besten mit sich selbst sprechen sollte.

2.     Beispiel: Der Sohn hatte heute zu mir gesagt, dass er es eine Dummheit von mir findet, dass ich zum Detoxen einen Zusatz ins Wasser mache. Da dachte ich, dass es auch ganz schön ist, wenn er nicht mehr mit mir spricht, denn in den letzten Tagen kam von ihm viel Kritik an mir, und da ich mittlerweile einen ziemlich liebevollen Umgang mit mir pflege, bin ich vielleicht besser dran, wenn ich mehr mit mir spreche als er mit mir. Ich sage es mal mit Katies Worten: “Ich bin verschont geblieben.”

3.     Beispiel: Wenn ich zu 100 % bei mir bin, dann können die Kinder sprechen oder nicht sprechen UND ich bin im Frieden. Es ist absurd, meinen Zustand von den Launen der Kinder abhängig zu machen.

Was mir durch diese Work klar wurde, ist, dass ich das alles nur für mich mache. 
Es ist schlichtweg eine Lüge, zu glauben, dass ich diese Taxifahrten für die Kinder mache. Diese Woche hat mir gezeigt, dass ich mich angeboten habe, um etwas zurückzubekommen, ich war auf der Suche der Liebe, Bestätigung und Anerkennung der Kinder. Und wenn LBA ausblieb, wurde mein Ego sauer. Es tauchten Gedanken auf wie “Nächstes Jahr biete ich mich nicht an und setze mich nicht fürs Reiten ein etc.. Das habt ihr dann davon, mich so lieblos zu behandeln. Etc….” Wenn ich die Taxifahrten für die Kinder gemacht hätte, aus bedingungsloser Liebe, ohne Erwartungen… dann könnten sie so lange schweigen wie sie wollten, mir Küsschen geben oder auch nicht… ich wäre in Ordnung… unbewegt, im Frieden, dankbar…

Der Vogel singt und fragt nicht, wer ihm lauscht;
Die Quelle rinnt und fragt nicht, wem sie rauscht;
die Blume blüht und fragt nicht, wer sie pflückt;
O sorge, Herz, dass gleiches Tun dir glückt.“
Julius Sturm

Da kam mir eine Übung von Katie in den Sinn, die genau darauf abzielt in meinem Verständnis, nämlich zu lernen, dass die Freude im Geben liegt, wenn ich ohne Erwartungen bin. Diese Übung macht viel Spass, daher möchte ich sie mit dir teilen:

Ich übersetze: “Tue drei nette Dinge ohne dabei erwischt zu werden. Wenn dich jemand entdeckt, beginne von vorne. Tue das jeden Tag und beobachte wie das Ego schreit “Ich habe es getan.”

Vielleicht hast Du Lust, es auszuprobieren, und etwas Nettes oder Freundliches für eine andere Person zu tun, ohne dabei entdeckt zu werden. Und falls du mitmachst, vielleicht hast du Lust, deine Erfahrung mit mir zu teilen, wie es für dich war, zu handeln ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten. Viel Freude mit dir ganz allein :-))

Blog_Byron_Katie

Titelfoto: Cerstin Deppe-Dingeldey

Eier, Bioeier… und wo The Work of Byron Katie sonst noch helfen kann

„Kerstin, weisst Du, was die beiden roten Fahnen da am Strand bedeuten?“ fragte mich heute mein Vater. „Die rote Fahne bedeutet, dass man nicht schwimmen sollte, da die Strömung stark ist.“ Darauf sagte mein Vater sehr bestimmt „Quatsch“. Ich rollte mit den Augen, schnaufte hörbar auf und ging auf mein Zimmer.

Vor 3 Jahren war ich das erste Mal seit 15 Jahren wieder mit meinen Eltern gemeinsam im Urlaub – auf Ko Samui. Es war der erste gemeinsame Urlaub mit meinen Eltern, nachdem ich die Work von Byron Katie kennen gelernt hatte. Vielleicht kennt der eine oder die andere das auch: Bei Familienfesten, Urlauben oder einfach bei gemeinsamer Zeit mit den Liebsten kommt es manchmal zu inneren und ggf. auch äusseren, emotionalen Wallungen, die man ansonsten schon lange Zeit eher nicht mehr erlebt hatte.

Wenn Du glaubst Du bist erleuchtet…
Ram Dass sagt dazu ganz passend wie ich finde: „Wenn Du Dich für erleuchtet hältst, dann geh und verbringe eine Woche mit Deinen Eltern.“ Oder wie Byron Katie sagt: „Leute gehen nach Indien um einen Guru zu finden, aber das musst du nicht: du lebst mit einem.“ Unsere Lieben drücken all die Knöpfe, wo wir noch gefangen sind in alten Gedanken- und Verhaltensmustern. Unsere engsten Mitmenschen zeigen uns, wo wir noch nicht wirklich hingeschaut haben und immer noch Konzepte mit uns herumschleppen, die oft schon viele Jahrzehnte alt sind.

Wer hat mich aus dem Paradies vertrieben? Ein Gedanke…
Also zurück nach Ko Samui: Vor drei Jahren sitze ich mit meinen Eltern in einem wunderbaren Hotel beim Frühstück mit Meerblick, Wellenrauschen, Vögelgezwitscher, frischem Obst… ein Paradies… und auf einmal passiert es: ich befinde mich mit meinem Vater in einer Diskussion über Eier, Bioeier, Politik etc. und ehe wir uns versehen, sind wir in einer hitzigen Diskussion, bis mein Vater mir vorwirft, das Problem mit mir sei, ich wolle ja immer nur Recht haben. Darauf höre ich mich sagen: „Nein, das stimmt nicht. Du willst immer Recht haben.“ The Work sei Dank konnte ich immerhin merken, dass es nun höchste Zeit war, mich zurück zu ziehen und wieder zu mir zu kommen. Ich verliess das Frühstück und ging auf mein Zimmer, schrieb alle stressvollen Gedanken über meinen Vater auf und rief einen Kollegen an, der mich begleitete, das Konzept zu untersuchen: „Mein Vater will immer nur Recht haben.“ Wie so oft bei der Work konnte dieser Gedanke nicht gegen die Wahrheit bestehen.

Dreh es um…
Für die, die The Work noch nicht kennen: Ein Teil der Work sind Perspektivwechsel – der Gedanke, der überprüft wird, wird in verschiedene Richtungen gedreht. Ich sah plötzlich, wie mein Vater total Recht hatte als er sagte, ich wolle ja immer nur Recht haben. Es stimmte. Ich sah, wie ich mich sofort verteidigt hatte und aus diesem Opferstatus heraus sogar ihn angegriffen hatte als ich sagte, er wolle ja immer nur Recht haben. Nun ja… es entstand das Bedürfnis in mir, mich bei meinem Vater zu entschuldigen. Als er an meine Zimmertür klopfte und mich fragte, ob ich mit ihm an den Strand gehen wolle, sagte ich ihm: „Papa, ich möchte Dir etwas sagen. Ich möchte mich bei Dir entschuldigen, denn ich habe Dich angelogen. Als Du mir gesagt hast, dass ich immer nur Recht haben wolle, habe ich Dir gesagt, dass das nicht stimmt. Es stimmt, ich wollte Recht haben, und das tut mir leid, bitte entschuldige.“ Plötzlich sah ich in seinen Augen Zeichen der Rührung, und er nahm mich westfälisch in den Arm und sagte: „Ach Mädchen, ist ja nicht so schlimm.“

Byron Katie fragt oft: Willst Du frei sein oder Recht haben?
Heute ergab sich dann die eingangs geschilderte Situation, in der es wieder um „Recht haben“ ging, um die Bedeutung der zwei roten Fahnen im Sand… erneut bemerkte ich eine heftige Irritation in mir aufsteigen. Auf dem Weg in mein Zimmer, begann mich nun die Frage zu beschäftigen, ob sich denn gar nichts bei mir verändert hatte seit damals auf Ko Samui? Wie kann es sein, dass ich mich wieder über etwas aufrege, womit ich mich bereits beschäftigt hatte, wo ich doch schon eingesehen hatte, dass ich Recht haben wollte damals auf Ko Samui, wieso nun wieder die gleiche Irritation? Und war es überhaupt die gleiche Irritation?

Nach ein paar Stunden traf ich meinen Vater. Auf einmal sagte er zu mir: „Du, ich muss mich noch bei Dir entschuldigen für vorhin, dass ich da nicht so freundlich zu Dir war. Aber ich hatte Recht…. und die Bedeutung der zwei Fahnen… etc.“ . Und ja, es stimmte, er hatte Recht gehabt die ganze Zeit UND er hat sich bei mir zu meiner Überraschung entschuldigt. Wir haben dann noch mit einem Augenzwinkern ausgetauscht, worum es jedem von uns ging und hatten einen richtig schönen, entspannten Abend. Ach ja, und wen es interessiert: Die beiden roten Fahnen markieren die Einfahrtschneise der Boote, die vermietet werden. Das hatte mein Vater herausgefunden als er sich mit einem Thailänder darüber unterhalten hatte.

Um den Krieg zu beenden braucht es nur eine Person
Byron Katie sagt, es reicht, wenn einer die Work macht, um den Krieg zu beenden. Warum ist die Dissonanz mit meinem Vater nun heute anders verlaufen? Keine Ahnung – und eine Idee dazu ist: Ich war nicht einer Meinung mit ihm, habe meinen Vater allerdings nicht wie vor drei Jahren angegriffen und bin erst einmal gegangen. Ich war mir bewusst, dass Gedanken meine Irritation ausgelöst hatten und nicht mein Vater selbst. Es waren die Gedanken über ihn, über mich, über Eltern etc., die mich aus dem Gleichgewicht gebracht hatten. Diese Gedanken konnte ich als Gedanken wahrnehmen und sie aus der Position des Beobachters identifizieren.

Es geht darum, immer wieder in der Beobachterposition zu sein.
Wenn ich meinen eigenen Prozess mit der Work zurückverfolge, zum Beispiel alte Aufzeichnungen lese, bin ich manchmal fassungslos, was ich vor ein paar Jahren so alles geglaubt habe und kein Wunder, dass ich mich verhalten habe wie ich mich verhalten habe. Manchmal kommt es mir fast unwirklich vor, dass ich diese Person war, die all das geglaubt hat. An vielen Stellen sehe ich, wie viel sich bereits verändert hat. Und dann gibt es eben auch andere Momente, wo ein altes Thema aufzuploppen scheint, etwas, mit dem ich mich vielleicht schon mehrmals in der einen oder anderen Form beschäftigt habe, ein Thema, das sich bisher nicht aufgelöst hat. Daher ist es vielleicht gar nicht so sehr die Frage, wieso mich manchmal wieder ähnliche Gedanken stressen, sondern vielleicht geht es darum, immer wieder in der Beobachterposition zu sein und mir immer wieder bewusst zu werden, dass ich nicht diese Stimmen, Meinungen, Ideen, Urteile bin, die mir durch den Kopf rauschen. Ich bin diejenige, die das Kopfkino beobachtet.

Ich bin neugierig, wie es sich entwickelt – und ich habe noch mehr als eine Woche Zeit, das zu beobachten 😉

Alles Liebe aus Thailand,

Kerstin