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Was haben Marie Kondo und Byron Katie gemeinsam? 19 Schritte und 4 Fragen zum Glück.

Marie Kondo kennt die Lösung zum äußeren Aufräumen. Die japanische Life-Style-Expertin hat übernatürliche Fähigkeiten — zumindest scheint es so, wenn es um Ordnung geht. Sie wird von der „Times“ zu den 100 einflussreichsten Menschen gezählt, nicht zuletzt durch ihre aktuelle Netflix-Serie “Aufräumen mit Marie Kondo”. Sie ist Autorin mehrere Bücher, darunter: „Die lebensverändernde Magie des Aufräumens“ und „Versprühe Freude“.

Byron Katie kennt die Lösung zum inneren Aufräumen. Die kalifornische Lehrerin hat übernatürliche Fährigkeiten – zumindest scheint es so, wenn es um inneres Gleichgewicht geht. Sie wird von der “Times” als “Spirituelle Erneuerin für das neue Jahrtausend” bezeichnet. Sie ist Autorin mehrerer Bücher, darunter “Lieben was ist”, “Ich brauche deine Liebe – stimmt das?” und “Eintausend Namen der Freude.”

Manchmal kommt es anders und meistens als man denkt… Über Denkfallen in Patchworkfamilien und andere Irrtümer

Seit dreieinhalb Jahren lebe ich mit den Kindern meines Partners wochenweise in einer Patchworkfamilie auf Mallorca. Als ich meinen Partner kennenlernte, las ich erst einmal Literatur über Patchworkfamilien, da ich mit dem Thema überhaupt nicht vertraut war – übrigens kann ich da die Bücher von Jesper Juul sehr empfehlen. Irgendwo las ich in einem Internetforum, dass es ca. 7 Jahre braucht, bis man als Patchworkfamilie so richtig zusammengewachsen ist. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich damals mit Schrecken dachte, um Gottes Willen, 7 Jahre… das geht sicher schneller, wenn man nicht glaubt, dass es 7 Jahre dauern wird… Nun ist die Hälfte der prognostizierten Zeit herum und im Moment sage ich: Wir sind auf einem guten Weg.

Auf diesem Weg habe ich eine ständige und zuverlässige Wegbegleiterin: The Work of Byron Katie, eine Lebenshaltung, die mir schon sehr oft aus herausfordernden Situationen geholfen hat. Wie in allen Beziehungen kommt es in Patchworkfamilien auch zu den üblichen Herausforderungen: Eifersucht, Trotz, Pubertät, Verlustängste, Platzhirschgedöns, Ärger, Wut und Enttäuschung… und manchmal erscheint es mir, als wenn sich das in Patchworkfamilien etwas potenziert dadurch, dass die Mitglieder einer solchen Familie immer wieder mit Wechseln konfrontiert sind und eben Kinder von getrennten Eltern sind, die sich je nachdem mehr oder weniger gut verstehen, Kinder, die mit neuen Partnern oder Partnerinnen der Eltern umgehen müssen, mit weiteren Trennungen. In meiner Erfahrung sind die Kinder oft lange beschäftigt mit der Trennung der Eltern, der Frage nach dem „warum“ und der Sehnsucht nach der alten Ursprungsfamilie.

Soviel zum allgemeinen Hintergrund, ich liebe es konkret:

Was alles passiert, wenn man es “richtig” machen will
Neulich hatten wir Übernachtungsbesuch der Kinder bei uns. Es war eines der ersten Male, dass ein Freund zum Übernachten blieb. Ich bemerkte, wie ich es als Deutsche in einer mallorquinischen Familie “richtig” machen wollte, Essen kochen, was mallorquinische Kinder gern essen, cool und entspannt sein, so dass der Übernachtungsbesuch nachher denkt, er hätte auch gern so jemanden in seiner Familie – auch wenn es nicht die Mama ist – ja, ich bemerkte mein Ego, was gemocht werden wollte.

Wir hatten eine tolle Zeit inklusive Kostümparty und als am kommenden Tag der Abschied kam, wollte ich es wieder “richtig” machen und gab dem sehr symphatischen Übernachtungskind, mit dem ich viel Freude gehabt hatte, einen Abschiedkuss in dem Glauben, dass die Mallorquiner das so machen mit den Freunden ihrer Kinder. Die Erwachsenen geben sich schliesslich jeweils zwei Wangenküsse zur Begrüßung und zum Abschied. Als ich mich auf unseren Besuch zubewegte, um mich “richtig” zu verabschieden, bemerkte ich sofort an den Blicken der anderen, dass ich in dem Moment etwas “richtig falsch” gemacht hatte. Ich konnte mich dann innerlich noch ganz gut überzeugen, dass ich doch alles richtig gemacht hatte, kam schliesslich von Herzen, bis mir die Tochter meines Partners als wir später allein waren sagte: “Kerstin, entschuldige bitte, aber das geht gar nicht, dass Du den Freunden meines Bruders einen Abschiedskuss gibst. Mein Bruder wird sehr ärgerlich auf Dich sein.” Das sass… und ich sah, was sie meinte.

Kannst du die Unschuld sehen?
Gleichzeitig sah ich meine Unschuld, wie ich ganz unschuldig meine Gedanken geglaubt habe wie: “Mallorquinische Eltern verabschieden Übernachtungsbesuch ihrer Kinder sicher auf diese Weise”… und dann eben auf diesen Gedanken reagierte und entsprechend handelte… ich sah, wie ich mein Bestes geben wollte, wie ich gemocht werden wollte und sah meine Unschuld und gleichzeitig, wie mein Verhalten für unseren Jungen evt. peinlich war. Bei mir war eine automatische Kette abgelaufen, die Byron Katie nennt: Denken – Fühlen – Handeln – Haben. In meinem Fall, denken, dass man das hier so macht, das Bedürfnis fühlen, es richtig machen zu wollen, in Aktion gehen, mich auf den Besuch zuzubewegen mit den Ergebnis, dass alle Anwesenden irrtiert waren. All das war geschehen, weil ich etwas geglaubt habe wie: “Ich brauche, dass die anderen mich mögen” und “so macht man das hier.”

Die Zeit verging, ich fand keine Gelegenheit, den Sohn meines Partners darauf anzusprechen. Es blieb unausgesprochen. In mir blieb der Zweifel, ob der Junge sauer auf mich war, und ob er jemals wieder einen Freund zum Übernachten einladen würde… ich dachte, eher nicht…

Wie erlebe ich die Welt, wenn ich sie durch diese Brille betrachte?
In der Zwischenzeit gab ich ein Seminar mit The Work of Byron Katie auf Mallorca und hatte da die Gelegenheit, einige eigene stressvolle Gedanken über den Sohn meines Partners mit The Work auf den Prüfstand zu stellen. Gedanken wie: “Er sollte offener zu mir sein, er sollte mehr Verständnis für meine Situation haben, er sollte sehen, dass ich es gut mit ihm meine etc…”

Die Seminarwoche zeigte Wirkung, ich spürte, wie ich mich mit jeder Work, mit jedem hinterfragten Gedanken immer mehr öffnen konnte für den Sohn meines Partners. Ich sah ihn ohne all meine Konzepte und Gedanken.

Ein Teil von The Work ist die Frage: Wer bist du ohne diesen Gedanken? Für mich ist dieser Teil der Work der, wo ich die Welt aus dem Herzen heraus betrachte und nicht durch die Brille meines Verstandes. Und aus dem Herzen geschaut, ist die Welt so viel freundlicher…

Nach dem Seminar begann eine neue Kinderwoche für uns. Ich freute mich auf die Kinder und war gespannt, wie sich die Veränderung, die ihn mir während der Work-Woche stattgefunden hatte, auf die Beziehung zum Sohn meines Partners auswirken würde. Beim ersten gemeinsamen Abendessen ergab sich die Gelegenheit, und ich fragte ihn: “Du, sag mal, damals weisst Du noch, als dein Freund bei uns übernachtet hat und ich ihm einen Abschiedskuss gegeben habe. War das doof?” Er sagte: “Ja.” Ich fragte ihn, ob sein Freund noch etwas darüber gesagt habe zu ihm. Und er sagte: “Nein, und wenn er etwas Negatives über Dich gesagt hätte, hätte ich ihm eine gehauen.”

Manchmal kommt es anders und meistens als man denkt
Nun war ich platt. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Ich war davon ausgegangen, dass ich ihm peinlich war und wäre nie auf die Idee gekommen, dass er mich vor seinem Freund verteidigen würde… ein Gefühl von Liebe, Dankbarkeit und Scham überkam mich. Scham, weil ich ihn so “falsch” gesehen hatte in all den Wochen. Ich hatte nicht mit dem Herzen gesehen, sondern nur mit dem Verstand. Und der Verstand greift meistens viel zu kurz, blendet Details aus, verzerrt die Inhalte und will vor allem beweisen, dass das, was er, der Verstand, eh schon glaubt, auch so ist. Das Herz hingegen katapultiert uns in die Tiefendimension, dahin wo alles möglich ist und wo es so viel mehr als eine Wahrheit gibt. Vielleicht ist das auch für dich eine Abkürzung bei der nächsten Auseinandersetzung oder Irritation, in die Tiefe zu gehen und zu fragen, wie das Ganze mit dem Herzen betrachtet anders aussieht.

Byron Katie sagt dazu:

“Die Realität ist so viel freundlicher als unsere Geschichten über sie.”

Dafür liebe ich The Work – sie hilft mir, immer mehr, mit dem Herzen zu sehen.

Viel Freude beim Ausprobieren.

Kerstin

Weitere Infos zum Thema:
Wochenendseminar mit The Work in Berlin:

Mit dem Herzen sehen – Wie Du mit The Work harmonische Beziehungen leben kannst
10.-11. Februar 2018 im ifapp Berlin
Frühbuchtarife bis 15. Dezember 2017
Infos & Anmeldung hier

Foto: Cerstin Deppe-Dingeldey

Die Kinder sollten mehr mit mir sprechen… über Schweigen, die Suche nach LBA und unerfüllte Erwartungen

In Spanien haben die Kinder 3 Monate Sommerferien. Das ist eine lange Zeit für beruftstätige Eltern, die ihre Kinder, nicht unbeaufsichtigt zu Hause lassen wollen. Bereits im letzten Jahr haben die Kinder meines Partners uns informiert, dass sie in den kommenden Sommerferien nicht mehr in dieSommerschule gehen wollen, wo sie die letzten Jahre untergebracht waren. Nun gut, was dann?

Nun hat es sich ergeben, dass die Kinder bei einer Reiterwoche mitmachen können. Ich habe früher geritten und wunderbare Erinnerungen an die Jahre mit den Pferden, in der Natur, mit Freunden… und so habe ich mich dafür stark gemacht, einen Hof gefunden mit einer holistischen Ausrichtung, wo die Pferde artgerecht gehalten werden und ich die Philosphie dort sehr ansprechend fand.

So weit so gut…
Diejenigen von euch, die meinen Blog mitverfolgen, wissen evt. von mir, dass ich manchmal auf der Suche nach der LBA der Kinder meines Partners bin.
Was ist LBA? Das ist Liebe, Bestätigung und Anerkennung.
Ich zitiere Byron Katie: “Wenn ich ein Gebet hätte, wäre es dieses: Gott beschütze mich vor der Suche nach Liebe, Bestätigung und Anerkennung.”

Ich übe noch 😉

Und diese Woche hatte ich jeden Morgen die Gelegenheit zum Üben.

Da beide Eltern der Kinder berufstätig sind und ich meine freiberufliche Zeit oft gut einteilen kann, habe ich angeboten, die Kinder in der Mama-Woche jeden Morgen zum Reiten zu fahren. In unserer Patchworkgeschichte sind wir diese Woche neue Schritte gegangen, was heisst, dass ich jeden Tag die Kinder in der Wohnung der Mama abholte, und die Kinder mich jeden Tag mit ihrer Mutter erlebten, und ich die Kinder mit ihrer Mutter. Das sah jeden Morgen so aus, dass Mutter und ich uns nett begrüßten mit Küsschen und etwas Smalltalk und die Kinder an ihrer Mutter klebten und mir kaum “Guten Morgen” sagten. Weiter ging es dann im Auto, in dem spätestens dann geschwiegen wurde, wenn ein drittes Kind, das wir mitnahmen, hinzustieg.

Heute war mein letzter Tag als Kindertaxifahrerin und heute morgen habe ich während des morgendlichen Schweigen im Auto den Gedanken überprüft: “Die Kinder sollten mehr mit mir sprechen während der Fahrt.”

Wir fahren also schweigend im Auto. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kinder während der Fahrt mehr mit mir sprechen sollten. Nun beginnt The Work of Byron Katie:

Die Kinder sollten mehr mit mir sprechen während der Fahrt.

1.     Ist das wahr?
Nein.

2.     Die zweite Frage lautet: Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist? Und diese Frage fällt weg, wenn bei der ersten Frage, die Antwort “Nein” lautet.

3.     Wie reagiere ich und was passiert, wenn ich glaube, die Kinder sollten mehr mit mir sprechen auf der Fahrt?
Ich bin nervös, angespannt, in meinem Magen zieht es, ich bin nicht bei mir, unentspannt, ich bin in den Angelegenheiten der Kinder und der Eltern, ich vergleiche mich mit ihrer Mutter und ihrem Vater, ich lehne das Schweigen und die schweigenden Kinder ab, ich streite mit der Realität, ich hadere damit, dass ich jeden Morgen eine Stunde meiner Arbeits- oder Freizeit für diese Aktion zur Verfügung gestellt habe, ich glaube, die Kinder sollten sehen, was ich für sie tue und dankbarer sein, ich werde zum Opfer der schweigenden Kinder, bin wütend und enttäuscht.

4.     Wer wäre ich in der gleichen Situation ohne den Gedanken, die Kinder sollten mehr mit mir sprechen während der Fahrt?

Entspannt, ich würde innerlich meinen Tag strukturieren, über ein neues Projekt nachdenken, die wunderbare Landschaft wahrnehmen, mich freuen, dass ich Extrazeit mit den Kindern habe, da ich sie sonst in der Mama-Woche oft gar nicht sehe, ich wäre mir dankbar, dass ich meinen Teil zu ihrem Leben beitrage, ich wäre mir dankbar, dass ich sie unterstütze, ich würde Marina im Rückspiegel sehen und mich freuen über dieses wunderschöne, smarte und authentische Mädchen, ich würde all die Situationen wahrnehmen, in denen meine Oma, die eigentlich meine Stiefoma war oder meine Eltern viele Dinge für mich getan haben und ich damals gar kein Bewusstsein dafür hatte, dass das etwas Besonderes ist, ich würde die Zeit geniessen, in der es keinen Streit gibt und wir von dem Auto von A nach B getragen werden.

Wie kann man das ganze nun anders sehen? 
Drehen wir es mal um:

Aus “Die Kinder sollten mehr mit mir sprechen.” wird das Gegenteil:
Erste Umkehrung – erster Perspektivenwechsel:
Die Kinder sollten nicht mehr mit mir sprechen während der Fahrt:

1.     Beispiel: Sie tuen es nicht. Daher ist es wahrer. Auch wenn mein Verstand es gern anders hätte. Die Realität ist, sie sprechen nicht mehr mit mir, daher sollten sie es auch nicht tun.

2.     Beispiel: Sie sind sehr müde von der Woche. Die Mutter sagte mir, dass sie sie noch nie so k.o. gesehen hat und sie nicht viel reden, auch nicht, wenn sie die Kinder abgeholt hat.

3.     Beispiel: Es ist ein drittes Kind im Auto und beide Kinder sind schon in der Phase, in der alles irgendwie peinlich ist und da gehört die Freundin von Papa evt. auch dazu. Ist möglich.

Zweite Umkehrung – zweiter Perspektivenwechsel:
Ich sollte mehr mit den Kindern sprechen während der Fahrt:

1.     Beispiel: Indem ich weitere Fragen stelle, die mich interessieren. Vielleicht würden sie mehr erzählen, wenn ich weiterfragen würde. Da ich meistens nach 4-5 Fragen aufgebe, sollten sie nicht mehr mit mir sprechen, da ich auch nichts mehr frage.

2.     Beispiel: Ich hätte sie an Tag zwei oder drei fragen können, ob alles in Ordnung ist, da ich mich wundere, dass sie so still sind.

3.     Beispiel: Ich sollte innerlich mehr mit ihnen sprechen und ihnen sagen, dass es ok ist zu schweigen, dass es nicht ihr Job ist, mich zu unterhalten, also ihnen in Stille diese Botschaften senden.

Dritte Umkehrung – dritter Perspektivenwechsel:
Ich sollte mehr mit mir sprechen während der Fahrt.

1.     Beispiel: An diesem Punkt machte sich ein wohliges Gefühl in mir breit, denn durch das Worken, also das Überprüfen der Gedanken, sprach ich ja mit mir und es ging mir gut. Also ja, ich bin wohl diejenige, die am besten mit sich selbst sprechen sollte.

2.     Beispiel: Der Sohn hatte heute zu mir gesagt, dass er es eine Dummheit von mir findet, dass ich zum Detoxen einen Zusatz ins Wasser mache. Da dachte ich, dass es auch ganz schön ist, wenn er nicht mehr mit mir spricht, denn in den letzten Tagen kam von ihm viel Kritik an mir, und da ich mittlerweile einen ziemlich liebevollen Umgang mit mir pflege, bin ich vielleicht besser dran, wenn ich mehr mit mir spreche als er mit mir. Ich sage es mal mit Katies Worten: “Ich bin verschont geblieben.”

3.     Beispiel: Wenn ich zu 100 % bei mir bin, dann können die Kinder sprechen oder nicht sprechen UND ich bin im Frieden. Es ist absurd, meinen Zustand von den Launen der Kinder abhängig zu machen.

Was mir durch diese Work klar wurde, ist, dass ich das alles nur für mich mache. 
Es ist schlichtweg eine Lüge, zu glauben, dass ich diese Taxifahrten für die Kinder mache. Diese Woche hat mir gezeigt, dass ich mich angeboten habe, um etwas zurückzubekommen, ich war auf der Suche der Liebe, Bestätigung und Anerkennung der Kinder. Und wenn LBA ausblieb, wurde mein Ego sauer. Es tauchten Gedanken auf wie “Nächstes Jahr biete ich mich nicht an und setze mich nicht fürs Reiten ein etc.. Das habt ihr dann davon, mich so lieblos zu behandeln. Etc….” Wenn ich die Taxifahrten für die Kinder gemacht hätte, aus bedingungsloser Liebe, ohne Erwartungen… dann könnten sie so lange schweigen wie sie wollten, mir Küsschen geben oder auch nicht… ich wäre in Ordnung… unbewegt, im Frieden, dankbar…

Der Vogel singt und fragt nicht, wer ihm lauscht;
Die Quelle rinnt und fragt nicht, wem sie rauscht;
die Blume blüht und fragt nicht, wer sie pflückt;
O sorge, Herz, dass gleiches Tun dir glückt.“
Julius Sturm

Da kam mir eine Übung von Katie in den Sinn, die genau darauf abzielt in meinem Verständnis, nämlich zu lernen, dass die Freude im Geben liegt, wenn ich ohne Erwartungen bin. Diese Übung macht viel Spass, daher möchte ich sie mit dir teilen:

Ich übersetze: “Tue drei nette Dinge ohne dabei erwischt zu werden. Wenn dich jemand entdeckt, beginne von vorne. Tue das jeden Tag und beobachte wie das Ego schreit “Ich habe es getan.”

Vielleicht hast Du Lust, es auszuprobieren, und etwas Nettes oder Freundliches für eine andere Person zu tun, ohne dabei entdeckt zu werden. Und falls du mitmachst, vielleicht hast du Lust, deine Erfahrung mit mir zu teilen, wie es für dich war, zu handeln ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten. Viel Freude mit dir ganz allein :-))

Blog_Byron_Katie

Titelfoto: Cerstin Deppe-Dingeldey

Stress im Phantasialand und wofür Bänke so alles gut sein können

Letzte Woche waren wir mit Tonis Kindern eine Woche in Deutschland zu Besuch bei meiner Familie. Der Auftakt der Ferien war der von den Kindern lang erwartete Besuch des Freizeitparks Phantasialand.

Wir versuchten, beide Kinder zufrieden zu stellen. Und es gab Tränen der Enttäuschung, wenn ein Kind zu klein war für ein bestimmtes Karussel, es gab ewige Warteschlangen, lange Wartezeiten, die Papa und Tochter allein verbrachten auf Sohn und mich wartend bei den spannenderen Karussells. Gegen Ende des Tages freuten wir uns alle vier auf die Wildwasserbobbahn. Wir hatten vor, alle zusammen mit dieser Bahn zu fahren. Als wir schliesslich an der Bahn ankamen und das Mädchen sah, wie die Fahrt sein würde, wurde sie von ihrer Angst übermannt und sagte, dass sie doch nicht mitfahren würde. Das bedeutete, dass Tonis Sohn und ich wiederum allein fahren müssten, während Papa und Schwester auf uns warten würden.

Da bekam der ältere Bruder einen Wutanfall und liess sich nicht beruhigen. Auch die Aussicht, dass sein Vater oder ich mit ihm allein fahren würden, stimmte ihn nicht milder.

Während wir also versuchten, uns zu organisieren, was nun zu tun sei etc., sagte mir mein Partner, ich solle seinem Sohn etwas Zeit geben und einfach weitergehen, egal ob er mitkomme oder nicht. Das konnte ich nicht. Hunderte von stressvollen Gedanken schossen mir durch den Kopf. Ich wollte unbedingt, dass der Junge glücklich ist und einen guten Abschluss im Phantasialand bekommen sollte. Auf meinen Versuch hin, ihn umzustimmen und wenigstens mit mir zu fahren, reagierte er trotzig und sprach zunächst kein Wort mit mir. Als ich nicht locker ließ, sagte er, er würde nun nirgendwo mehr hingehen und sein Vater machte Anstalten, ihn einfach da stehen zu lassen, was ich nicht übers Herz brachte. Ich insistierte weiter und holter die Polter waren Sohnemann und ich in einen Streit verwickelt, der immer lauter wurde. Es gab bei uns beiden kein zurück mehr. Der gefühlte Höhepunkt für mich war, als mir der Junge dann sagte, dass er sehr bereue, überhaupt mit uns in den Urlaub gefahren zu sein, und da brannten bei mir die Sicherungen durch.

Am liebsten hätte ich alle drei da stehen gelassen und wäre allein weggegangen. Raus aus dem Park, raus aus allem, zurück in mein Singleleben ohne alle diese Streits. Mir war nur noch zum Weinen. Ich war enttäuscht und frustriert.

Wir gingen also weiter, ich suchte Abstand und merkte, dass ich mich nicht mehr kontrollieren konnte. Also sagte ich meinem Partner, dass ich Zeit für mich brauchte, um mich zu beruhigen und sie sollten schon einmal vorgehen.

Ich fand eine Bank, auf der nahm ich Platz und die Tränen liefen. Ich versuchte mich zu sortieren und wurde von den vielen, schnellen Gedanken, die mir durch den Kopf schossen, überrannt.

Seit einigen Jahren arbeite ich als Coach mit The Work of Byron Katie, eine Methode, die hilft, den Grund für unseren Stress zu finden und zu identifizieren und anschliessend aufzulösen. “Also gut”, dachte ich, “es hilft anscheinend nichts, also schreibe die Gedanken auf, unter denen Du leidest.” Ich fand in meiner Handtasche einen Kugelschreiber und in meinem Portemonai einen Kassenbon. Auf der Rückseite schrieb ich folgenden Text – der nach einem bestimmten Schema aufgebaut ist. Dieses Schema heisst “Arbeitsblatt Urteile über Deinen Nächsten.” Ich begann also meine Urteile auf die Rückseite des Kassenbons zu schreiben und kam mir ziemlich bescheuert vor, dass ich als ausgebildeter Coach und Trainerin nun im Phantasialand allein auf einer Bank saß, um mich herum lauter Familien, und bei mir die Tränen liefen.

Ich schrieb:

1.     Ich bin sauer auf Toni junior, weil er so ungeduldig ist.
2.     Ich will von Toni junior, dass er geduldiger ist, dass er erst reflektiert, dass er nicht so ausrastet, dass er mit sich reden lässt.
3.     Toni sollte verstehen, dass Menschen ihre Reaktionen nicht kontrollieren können, er sollte nicht so verletzend sein, er sollte nicht nur schwarz oder weiss sehen.
4.     Ich brauche von ihm, dass er anders ist als er ist, dass er zugänglicher ist, dass er mit sich reden lässt.
5.     Er ist brutal, uneinsichtig, verletzend, hasserfüllt, undankbar, ein Arsch
6.     Ich will nie wieder erleben, dass er so ausflippt und mir sagt, dass er bereut, mit uns in den Urlaub gefahren zu sein.

Nachdem ich nun erst einmal einen Teil der Gedanken, die meine Wut auslösten identifiziert und aufgeschrieben hatte, workte ich nun den ersten Gedanken, den ich aufgeschrieben hatte.. Worken heisst, Gedanken hinterfragen und neue Perspektiven gewinnen.

Der erste Gedanke: Er ist so ungeduldig.

Hier kommen die vier Fragen von Byron Katie:

1.     Ist das wahr?

Ja.

2.     Er ist so ungeduldig. Kannst Du absolut sicher wissen, dass das wahr ist?

Ja.

3.     Wie reagierst du und was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?

Ich verurteile ihn, verachte ihn, ich finde ihn abstossend, schrecklich, unerträglich, ich bin stinksauer auf ihn, möchte am liebsten weglaufen und ihn nicht mehr sehen, ihn schütteln und anschreien und sagen, dass das so nicht geht, gleichzeitig schäme ich mich für all diese Gedanken und Gefühle, glaube, ich sollte weiter sein, zweifle an mir und verurteile mich selbst, fühle mich als Opfer seiner Launen, bin innerlich hart und mein Herz ist verschlossen wie eine Auster.

4.     Wer bist du in der gleichen Situation ohne den Gedanken, dass er so ungeduldig ist?

Ich wäre ruhiger, würde mir mehr Zeit lassen und nicht so schnell auf alles reagieren, würde mehr beobachten, würde nicht all diese Gedanken einfach für wahr halten, ich wäre verständnisvoller, könnte dem Jungen seinen Ärger und seine Wut lassen, ich könnte differenzieren, dass seine Wut ja nichts mit mir zu tun hat, würde das ganze Geschehen nicht persönlich nehmen, würde ihm Zeit lassen, warten, bis er bereit ist, wieder im Kontakt zu sein. Ich wäre ein freundlicher, erwachsener, liebevoller Mitmensch.

Nun kehren wir den ursprünglichen Gedanken um.

Aus: Er ist ist ungeduldig wird:

1.     Die Umkehrung ins Gegenteil. Er ist nicht so ungeduldig.

Nun finde ich 3 Beispiele, warum das auch wahr ist:

1.     Er stand einfach nur zurückgezogen da und wollte seine Ruhe haben. Er war defensiv.
2.    Er hat nicht begonnen, mich zu attackieren.
3.    Er hat auf mein Nachbohren, einfach gar nicht geantwortet und mich nicht angeschrien.

2.     Umkehrung: Umkehrung zu mir selbst: Ich bin so ungeduldig.

Ja, das stimmt total.

1.     Ich bin auf ihn zugegangen, obwohl sein Vater mir gesagt hatte, ich solle ihm Zeit lassen.
2.    Ich habe nicht locker gelassen, bis der Junge dann explodiert ist und Dinge gesagt hat, die ich mich sehr zu Herzen genommen habe, wie z.B., dass er bereue, mit uns in den Urlaub gefahren zu sein.
3.     Ich erwarte von diesem 12-Jährigen, dass er geduldig und besonnen ist, obwohl ich mich mit meinen 40 Jahren in dem Moment nicht im Griff hatte.

Man könnte hier noch weitere Umkehrungen finden – ich hatte nur Zeit für diese beiden, denn dann stand auf einmal meine Familie vor mir. Das Mädchen schaute mich mit ihren großen, braunen Kulleraugen an und bat mich, nun wieder mitzukommen. Das erweichte mein Herz, ich ging also mit, hielt erst noch Abstand, denn das Ganze war mir unangenehm und peinlich.

Nachdem ich meinen Anteil an dem ganzen Schlamassel gesehen hatte, spürte ich das Bedürfnis, es wieder gut zu machen, mich bei Toni j. zu entschuldigen. Byron Katie sagt: “Make it right whenever you can.” (Mache es wieder gut, wann immer Du kannst.)

Also fasste ich mir ein Herz, ging etwas schneller und kam neben Toni j. an. Ich hatte Angst, dass er mich abweisen oder ignorieren könnte, wenn ich ihn ansprechen würde. Ich nahm die Befürchtung wahr und gab mir einen Schubs und sagte: “Toni, es tut mir sehr leid, dass ich eben so unfreundlich mit Dir gesprochen habe. Kannst Du mir verzeihen?” Da schaute er mich an und sagte: “Ja, Du mir auch?”

Damit hatte ich nicht gerechnet. Und das rührte mich zu Tränen. “Ja, natürlich.” sagte ich und “weisst Du, ich wollte so gern, dass Du eine gute Zeit hast hier und ich konnte es nicht ertragen, dass Du so enttäuscht warst.” Und er sagte: “Weisst Du, und ich wollte einfach nur, dass wir alle vier zusammen etwas machen.”

Das haute mich wiederum um, denn alles, was ich ihm unterstellt hatte, war nicht wahr. Ich hatte ihm unterstellt, dass er egoistisch ist und immer Recht haben will und noch viele andere unschöne Sachen und die Wahrheit war: Dieser Junge war so enttäuscht, dass wir nicht zu viert in die Bahn gingen, dass er seine Enttäuschung nicht kontrollieren konnte und einen Wutanfall bekam. Das rührte mich sehr und ich lernte, dass unter Wut oft sehr rührende Wahrheiten stecken, und es sich lohnt, sich die Zeit zu nehmen, die Wahrheit heraus zu finden.

Und ich erinnerte mich an ein anderes Zitat von Byron Katie: „Die Wirklichkeit ist immer freundlicher als die Geschichte, die wir darüber erzählen.“

Ach so, und dann habe ich mich noch getraut, ihm zum ersten Mal in drei Jahren zu sagen: “Ich habe Dich wirklich lieb.” Und er lief lachend davon und spielte mit seiner Schwester den ganzen Tag ohne sich weiter zu streiten…

Foto: Cerstin Deppe-Dingeldey

Sie sollte nicht so zickig sein

Sie sollte nicht so zickig sein – Was für ein Geschenk!

Mein Freund und Mentor Ralf Giesen hat vor einigen Jahren gesagt: “Jeder stressvolle Gedanke ist wie ein Geschenk, das du noch nicht ausgepackt hast.”

Heute kann ich sagen, dass das in meiner Erfahrung stimmt. Gestern durfte ich wieder so ein Geschenk auspacken.

“Sie (die Tochter meines Partners) sollte nicht so zickig sein”. Das habe ich gestern geglaubt, als sie wütend einen Stuhl umwarf als ich ihrem Bruder Recht gab, der sich über die ungerechte Aufteilung des verbliebenen Saftes beschwerte. Sie hatte sich das Glas voll gemacht und ihm einen kleinen Minischluck ins Glas gegeben. Anschliessend war die letzte Flasche Pfirsichsaft im Haus leer. Ich bat sie, gerecht zu teilen, woraufhin sie einen Wutanfall bekam und behauptete, sie hätte schliesslich den Saft beschafft, worauf ich schon wütend antwortete, dass der Saft für alle sei und ich ihn gekauft habe. Nun ja, den Rest kann man sich vorstellen… Wir assen nicht zu viert, sondern nur zu dritt. Madam zickte, und ich brodelte vor Wut – immer noch glaubend, sie sollte nicht so zickig sein.

Irgendwann kam sie dann zum Essen – immer noch gereizt und sprach keinen Ton mit mir. Dann bekam ich einen Anruf von meiner Mutter – am Muttertag- und ich ging ein paar Meter weiter weg, um mit meiner Mutter zu telefonieren. Ich lachte mit meiner Mutter und sah aus den Augenwinkeln, wie sich die Tochter meines Partners die Ohren zuhielt. Da lief bei mir innerlich das Fass über.

Als dann auch noch der Vater mit Engelszungen auf die Kleine einging, brannte bei mir innerlich die Sicherung durch. In meiner Welt gab es keinen Grund nun auch noch überfreundlich zu ihr zu sein, in meiner Welt, sollte sie sich für ihr Verhalten entschuldigen.

The Work sei dank verliess ich erst einmal das Terrain und zog mich zurück um meine Gedanken zu beobachten:

“Sie sollte nicht so zickig sein, sie ist unverschämt, ein egoistisches, verzogenes Blag, sie muss sich bei mir entschuldigen usw.” schoss es mir durch den Kopf.

Ich begann zu worken – was bedeutet, in Frage zu stellen, was ich glaube.

Sie sollte nicht so zickig sein – war der erste Gedanke, den ich untersuchte.

1.     Ist das wahr?

Ja.

2.     Kann ich absolut sicher wissen, dass das wahr ist?

Ja.

3.     Wie reagiere ich, wenn ich das glaube, dass sie nicht so zickig sein sollte?

Wütend, in Rage, ich hasse sie in dem Moment, ich will sie nicht sehen und nicht hören, ich bin froh, dass sie vom Tisch aufgestanden ist und nicht mit uns isst, ich könnte ihr den Hals umdrehen, ich habe den Drang, ihren Vater zu bitten, sie zurecht zu weisen, ich würde am liebsten ins Auto steigen und weg fahren, ich freue mich, dass sie morgen für eine Woche zu ihrer Mutter geht….

4.     Wer bin ich ohne den Gedanken, dass sie nicht so zickig sein sollte?

Ich nehme wahr, dass sie 10 Jahre alt ist und ich nicht wissen kann, was gerade in ihrem Kopf vorgeht. Ich nehme wahr, dass die Kinder viele Konflikte miteinander haben und es ggf. eine Verknüpfung in ihrem Kopf gab, die mir nicht bekannt ist, ich würde mich freuen über das schöne Wetter und dass wir draussen essen können. Ich würde wahrnehmen, wie kooperativ ihr Bruder auf einmal ist und sogar den Tisch abräumt. Ich würde den Vater sehen, der darunter leidet, dass es diesen Stress gibt. Ich hätte Mitgefühl mit allen Beteiligten, die gerade gestresst sind, inklusive mit mir hätte ich Mitgefühl. Mein Puls wäre ruhiger. Ich würde das ganze nicht so wichtig nehmen und schon gar nicht persönlich gegen mich gerichtet sehen. Ich wäre mir dankbar, dass ich meine Position zum Teilen geäussert habe und würde vertrauen, dass dieser Samen vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt aufgeht…

Wie kann man das nun anders sehen?

Sie sollte nicht so zickig sein.

Mein erster Perspektivwechsel ist: 
Ich sollte nicht so zickig sein.

1.     Beispiel: Ich war innerlich SEHR zickig und das war energetisch sicher spürbar und nicht hilfreich.

2.     Beispiel: Ich sollte nicht so zickig sein, und gleich solche Endzeitgedanken haben, sondern diesen Moment der Entgleisung weniger wichtig nehmen.

3.     Beispiel: Ich sollte nicht so zickig sein und ihr zugestehen, dass das anscheinend gerade zu ihrer Entwicklung gehört und es nicht so persönlich nehmen.

Zweiter Perspektivwechsel: 
Sie sollte so zickig sein.

1.     Beispiel: Weil sie mich gebeten hat, genau diesen Saft zu kaufen und er daher evt. in ihrer Welt mehr ihr gehörte als ihrem Bruder.

2.     Beispiel: Weil sie ein paar Stunden vorher einen Pfirsichjogurt essen wollte, ebenfalls der letzte, und als sie ihn gerade aufgemacht hatte, ihr Bruder ihn probieren wollte. Sie ekelt sich davor, mit anderen das Essen zu teilen. Ihr Bruder ging zweimal mit dem Löffel in den Joghurt und sie überliess ihm den Joghurt ohne Drama. Vielleicht war der Saft der letzte Tropfen, der ihr Fass zum Überlaufen brachte.

3.     Beispiel: Sie sollte so zickig sein, weil ich mich meistens nicht ungefragt in Erziehungsfragen einmische und falls doch meistens auf ihrer Seite bin und sie das vielleicht enttäuscht hat.

Dritter Perspektivwechsel: 
Sie sollte nicht so entspannt sein.

Hmm… mal sehen… gar nicht so einfach…

1.     Beispiel: Sie hat nur einen Stuhl umgeworfen und nicht mich oder jemand anderen beschimpft.

2.     Beispiel: Sie drückt aus, wenn ihr etwas nicht passt und frisst es nicht in sich hinein.

3.     Beispiel: Im Vergleich zu ihrem Bruder reagiert sie sehr oft entspannt, wenn er sie ärgert, von daher ist es vielleicht gesund, wenn sie mal zickig ist.

4.     Damit ich überprüfen kann, wie ich zu ihr stehe, ob ich sie nur mag, wenn sie meinen Vorstellungen entspricht oder ob ich sie auch zickig lieben kann.

Nach dieser Work war mein Puls deutlich ruhiger. Da war noch das Thema, dass sie sich die Ohren zugehalten hat, was mich besonders getroffen hat. Vor allem, nachdem wir einen wunderbaren Vormittag zu zweit allein zu Hause hatten, stundenlang zusammen Lego gebaut haben, und ich vorgestern ihren ganzen Kindergeburtstag vorbereitet hatte trotz dicker Backe nach gezogenem Weisheitszahn… Hm… ich war also wohl der Meinung, dass ich das nicht verdiene.

Wenn ich dann schaue, was ich für sie empfunden habe in Frage Nummer 3, also wie ich reagiere, wenn ich glaube, sie sollte nicht so zickig sein, dann war ihr Ohren zuhalten wohl freundlicher als alles, was mir durch den Kopf gegangen ist.

Irgendwann kam sie dann in das Zimmer in dem ich workte. Sie hatte das Legoauto in der Hand, das sie dann ohne mich ganz allein zusammen gebaut hat. Sie hat es mir nicht gezeigt und fragte, wo ihr Vater sei. Da hätte ich gleich losheulen können…. Jetzt zeigt sie mir nicht mal das Auto, an dem wir zusammen den ganzen Vormittag gebaut haben… ich antworte sehr freundlich, dass ich nicht wisse, wo ihr Vater sei. Dann kamen der Vater und sie zurück mit dem Auto und der Vater bat sie, es mir zu zeigen. Sie war verlegen und schüchtern. Auf einmal ging mein Herz auf. Ich sah, dass sie keinen anderen Weg zu mir gefunden hatte und testete, ob sie sich wieder annähern kann.

Später bat sie mich dann mitzukommen auf einen Spaziergang. Ich war immer noch etwas zickig und sagte, ich wolle Zuhause bleiben wegen meiner dicken Wange. Sie war traurig und bat mich erneut und sagte, wir wollten alles etwas zusammen machen. Das erreichte mich und ich ging mit.

Wir haben dann noch den ganzen Abend gespielt, Just Dance, Dinge raten etc. Und viel gelacht.

Das Geschenk, das ich auspacken durfte war, wieder einmal zu lernen, dass es oft nicht nachvollziehbar ist, warum jemand so reagiert, dieses oder jenes sagt oder nicht sagt… und jeder hat gute Gründe, die der eigene Verstand verbittert rechtfertigt.

Es gibt ein chinesisches Sprichwort das sagt ungefähr: “Jedes Ding hat drei Seiten: Eine Seite, die ich sehe, eine Seite, die du siehst und eine Seite, die niemand von uns beiden sieht.” Die Seite, die niemand von uns beiden sieht, wird für mich durch die Work sichtbar – wenn der Kopf fragt und das Herz antworten darf.

Über Rennradfahrer, Müllsäcke und andere Verfehlungen

Was haben Rennradfahrer auf Mallorca mit Mülltrenunng zu tun?
Auf den ersten Blick nicht wirklich viel…
Wer von euch im Frühjahr schon einmal auf Mallorca unterwegs war, der hat vielleicht den einen oder anderen Rennradfahrer gesehen. Bevorzugt sind die Radfahrer in kleineren oder größeren Gruppen unterwegs. Auf einer sehr kurvigen wunderbaren Landstrasse begegnete ich heute mehreren Zweier- und Dreiergrüppchen, die meistens nebeneinander fuhren. Ich verstehe das irgendwie, es hat wohl etwas mit Windschatten oder so zu tun, trotzdem bemerkte ich, dass ich begann, mich zu ärgern. Stressvolle Gedanken tauchten auf: “Kein Wunder, dass die Deutschen hier unbeliebt sind, wenn sie so rücksichtslos fahren.” usw. Ich beobachtete meine Gedanken: “Sie sollten hintereinander fahren. Sie sollten mehr Rücksicht nehmen, sie sollten…, sie sollten…” Dann tauchte auf einmal der Gedanke auf: “Ist ja interessant, wie ich mich gerade über diese Radfahrer ärgere.”

Plötzlich kam ich an einer großen Mülltonne vorbei. Dort habe ich schon öfter unseren Müll entsorgt. Und zwar zu meiner Beschämung all den zu Hause getrennten Müll in die eine große Tonne an der Strasse. „Aha! Du regst dich über die Radfahrer auf? Was machst du denn als Gast auf Mallorca, über das sich andere zu Recht aufregen könnten? Dann fange erst einmal bei dir selbst an Kerstin und bringe ab jetzt immer den Müll in die entsprechenden Tonnen, auch wenn das Umwege bedeutet.“

Wie Ärger ein Wecker zum Aufwachen sein kann
Auf einmal wurde mit klar, was es bedeuten würde, wenn jeder von uns, genau in dem Moment, wo er anfängt sich über eine andere Person aufzuregen, so etwas wie einen Stoppknopf hätte oder im Work-Sinne einen „Kehre-es-zu-dir-selbst-um-Knopf“ oder auch „Kehre-vor-deiner-eigenen-Tür-Knopf“. Dann wäre das Miteinander wohl ziemlich anders. Auf einmal wäre jedes “Ärgernis” im Außen eine große Wachstumschance für mich persönlich.

Also auf den zweiten, etwas tieferen Blick haben nicht nur die Rennradfahrer etwas mit der Mülltrennung zu tun – alles hat etwas mit allem zu tun.

Das „Go first“-Prinzip
Dann kam mir das sogenannte „Go first“ Prinzip von Byron Katie in den Sinn, was ich so übersetzen würde: Gehe du zuerst. Mache du den ersten Schritt. Wenn du denkst, es ist so einfach für die anderen, dieses oder jenes zu ändern, beginne du, in deinem Leben aufzuräumen.

Mein Resümee für heute ist, dass ich ab jetzt mein Bestes geben werde, jedes Mal, wenn ich mich über einen anderen Menschen aufrege, bei mir hinzuschauen, welche Müllsäcke ich noch im Keller habe, und was ich ab jetzt konkret dafür tun werde, diese Müllsäcke korrekt zu entsorgen. Und wenn ich das wieder vergessen sollte, erinnert mich bitte daran. Codewort: Müll.

In diesem Sinne wünsche ich euch einen guten Start in die neue Woche!

Alles Liebe,

Kerstin

Über Opfer, die mit dem Kopf durch die Wand wollen und andere Pannen

Neulich hat mich ein guter Freund gefragt, wie es mir geht. Ich schrieb ihm, dass es mir gerade sehr gut gehe und ich auch mit den Kindern meines Partners eine sehr gute Zeit habe. Ich schrieb ihm, dass ich mich neulich erinnert habe, was für “krasse” Sachen früher mit den Kindern passiert sind, und das ich heute sehr viel Mitgefühl mit den Kindern habe.

Zum Beispiel ist eines der Kinder einmal weggelaufen aus dem Haus der Grosseltern, als ich zum Essen eingeladen war. Das Kind wollte mich weder sehen, noch mit mir an einem Tisch sitzen. Wir lebten damals noch nicht zusammen. Ich erinnere mich noch gut, wie sehr verletzt ich mich damals fühlte, wie traurig ich darüber war und mich als Opfer gesehen habe. Von Mitgefühl war ich weit entfernt. Ich war enttäuscht, traurig und wütend. Ich wollte zurückgeliebt werden und ganz tief in mir war eine Stimme, die das trotzig einforderte, eine Stimme, die mir einflüsterte, ich habe ein Recht darauf. Ich glaube, da hat das Ego zu mir gesprochen.

Wie kommt es, dass aus einem Opfer ein mitfühlender, verständnisvollerer Mensch wird?

Wenn ich das Ganze in der Rückschau betrachte, sehe ich einen wesentlichen Punkt, der vielleicht alles verändert hat. Durch die heftige Zurückweisung der Kinder, die ich manchmal erlebt habe und die Verlustängste, dass die Partnerschaft das vielleicht nicht aushält, blieb mir nur ein Weg: Der zu mir selbst. Mich selbst so sehr zu lieben, dass ich die Liebe der Kinder oder die meines Partners nicht mehr zum Überleben brauche.
Das ist für viele von euch vielleicht keine Neuigkeit. Das weiss doch heutzutage fast jeder, dass man erst einmal sich selbst lieben muss, bevor man glückliche Beziehungen leben kann. Ja, ich wusste das auch. Theoretisch. Und bei jeder Erschütterung im Außen wurde mir klar, dass ich das zwar wusste, es aber nicht in mir integriert war, ich es nicht lebte.

Es war ein längerer Weg mit vielen Tränen, immer wieder Enttäuschung, Trauer und dem Gedanken, “Ich gehöre nicht dazu zur Familie”, was meint, zum Dreiergespann meines Partners und der Kinder.

Die Umkehrung zu mir selbst: “Ich gehöre nicht zu mir dazu.” war wohl damals viel wahrer. Nach aussen lebte ich ein selbstbestimmtes Leben, war Coach, Trainerin, ging zum Sport, traf mich mit Freunden, reiste oft beruflich allein oder zu meiner Familie nach Deutschland. Und doch, in mir drinnen, ganz tief drinnen gehörte ich nicht zu mir und war immer noch auf der Suche nach dem fehlenden Teil. Den sollte mir mein Partner und seine Kinder geben, mich bedingunglos lieben und mich als Teil ihrer Familie annehmen.

Die Stimme, die oft flüsterte “Kerstin, du hast auch ein Recht darauf, geliebt zu werden, du bist ein guter Mensch und gibst ja auch so viel, vor allem den Kindern…” war penetrant und dominant. Und das Universum war freundlich und präsentierte mir immer wieder Situationen , die mich enttäuschten: Weihnachtsbesuch auf dem Marktplatz – Keiner nahm meine Hand, Abschlussfeier in de Schule – die Kinder scheinen mich nicht zu kennen, die Kinder beantworten meine Nachrichten nicht…. Ich bekam so lange vom Universum eines auf den Deckel, bis ich endlich bereit war, aufzugeben und umzudenken. Viele Works über die Kinder haben nach und nach den Pfad geöffnet. An einem Tag, als es besonders weh tat, sprach eine andere Stimme zu mir, die sagte: “Es reicht. Gib auf und kümmere dich um dich. Du brauchst es, denn die Kinder wollen deine Aufmerksamkeit anscheinend nicht. Wie freundlich, denn so hast du mehr Energie für dich. Du bist diejenige, die dich gerade braucht.”

Ich begann, meinen Fokus auf meine Arbeit zu lenken, auf meine Freiberuflichkeit, die neue Webseite, ein Buch über Patchworkund The Work zu schreiben. Ich verabredete mich wieder häufiger mit Freunden in der Woche, in der die Kinder bei uns waren. Ich habe auch mal nicht gekocht und stattdessen gearbeitet, wenn ich gerade Arbeit hatte, habe keine Nachrichten mehr geschrieben, keine Geschenke mehr gemacht, keine Angebote gemacht, nur noch reagiert, wenn die Kinder auf mich zukamen und etwas mit mir machen wollten.

Es war magisch. Innerhalb von wenigen Wochen drehte sich alles.
Ich war in meiner Kraft, war bei mir, kümmerte mich um mich, die Kinder kamen immer häufiger auf mich zu, wollten mit mir spielen, mit mir in den Urlaub fahren, bei mir schlafen und aufeinmal wurde ein Bild gemalt mit einer Familie – und ich entdeckte meinen Namen in dem Bild. In dem Moment war es mir allerdings gar nicht mehr so wichtig – ein paar Monate vorher hätte ich viel dafür gegeben.

Was habe ich gelernt in der Zeit?

· Es ist für mich so wahr, was Byron Katie sagt: “Alles passiert für dich, nicht gegen dich.” Die Zurückweisung der Kinder hat mich gelehrt, mich selbst zu lieben.

· Noch einmal Katie: “Opfer sind die schlimmsten Täter.” Ich habe über mich gelernt, wie subtil manipulativ ich den Kindern gegenüber versucht habe zu erreichen, dass sie mich lieben. Das war übergriffig.

· Mangel ist immer ein Zeichen, dass ich selbst nicht bei mir Zuhause bin, mich selbst nicht an die Hand nehme oder mir selbst keine Familie bin.

· Wenn meine Probleme im Außen sich nicht verändern und evt. sogar grösser werden, könnte das ein Zeichen sein, dass ich mit dem Kopf durch die Wand will und nicht bereit bin, einen neuen Weg auszuprobieren.

· Nur, wenn ich kein Opfer bin, kann ich mitfühlend mit den anderen sein, mit dem, wo sie gerade stehen, was sie beschäftigt, was es ihnen unmöglich macht, sich anders zu verhalten – nur dann kann ich Zeit geben und glücklich sein mit mir, während die anderen machen, was sie machen

· Katie sagt oft:”Du bist verschont geblieben.” Die Kinder wollen nicht mit mir spielen, sondern mit Papa? Wunderbar, ich bin verschont geblieben und habe Zeit für mich. Die Kinder wollen nicht an meiner Hand gehen, sondern nur mit Papa? Wunderbar, so kann ich frei laufen, in meinem Tempo, in Geschäfte schauen und lernen, meine Hand zu halten.

· Es ist alles nur eine Frage der Perspektive, keine meiner Geschichten hat sich als wahr herausgestellt.

· Ich habe kein Recht, von den anderen geliebt zu werden und es ist meine Aufgabe, diesen Job zu übernehmen. So wie Katie sagt, den Job kann man nicht delegieren.

In diesem Sinne wünsche ich dir ganz viel Aufmerksamkeit.

Vielleicht kannst du dich beim nächsten Mal, wenn du zum Opfer wirst und meinst, etwas nicht zu bekommen, was dir zustehe, inne halten und still werden. Für mich war das Rezept zum Glücklichsein: Den Job annehmen, mich um mich selbst zu kümmern und die anderen ihr Leben leben zu lassen. Sie tun es sowieso.

Alles Liebe

Kerstin

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Unverschämtheiten und andere Irrtümer – Die gelebte Umkehrung

Am Ende einer Coachingsitzung fragen manche Klienten/innen: „Was mache ich denn nun mit der Erkenntnis?“ Oft sage ich: „Gar nichts.“ Denn in meiner Erfahrung integriert sich eine neue Erkenntnis von allein in mein Leben, wenn es eine wirkliche Erkenntnis war. Wenn ich mit einem/r Klienten/in worke, was bedeutet, dass wir Gedanken auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen, erkennen die Klienten/innen oft, dass das, was anfangs so wahr erscheint, gar nicht so wahr ist, und dass das Gegenteil oft mindestens genauso wahr ist, wenn nicht wahrer. Und gleichzeitig ist es in meiner Erfahrung so hilfreich und heilend, Prozesse nicht nur im Kopf stattfinden zu lassen, sondern das Verstandene oder Erkannte in die Praxis umzusetzen.

Das kann leicht an einem Beispiel verdeutlicht werden. Neulich hatte ich eine heftigere Auseinandersetzung mit der Tochter meines Partners. Wir leben nun seit 14 Monaten zusammen, sie ist 9, ich 40. Beim Spielen mir ihrer Cousine hatte sie sich weh getan und lief auf Strümpfen brüllend aus dem Haus, um ihren Vater zu suchen. Der war gerade mit dem Trecker unterwegs und hörte ihr Kreischen nicht. Ich ging hinterher, rief sie und wollte schauen, was ihr weh tat. Sie war nicht zu beruhigen, kreischte immer nur „Papa, Papa“ und wurde immer wütender. Ich sah, dass ihr Körper unversehrt war und versuchte, ihr zu erklären, dass ihr Vater gerade nicht hier sei. Sie liess sich nicht von mir beruhigen, schmiss sich auf den Boden, rannte weiter auf Strümpfen über den Acker. Langsam wurde ich ärgerlich, ich bat sie mehrmals, mit mir ins Haus zu kommen und sich Schuhe anzuziehen. Sie war immer noch ausser sich. Schliesslich hob ich sie hoch, und sie trampelte und schrie. Ich setzte sie wieder hinunter und ging wütend ins Haus. Sie kam nicht mit, und ich fuhr mit ihrer Cousine davon, da ich einen Termin hatte und ihrer Tante versprochen hatte, ihre Tochter zu ihr bringen. Lange Geschichte… das Ende vom Lied war, dass ich wahnsinnig wütend war und eigentlich gar nicht genau wusste, warum.

Ich traf mich mit einer Freundin in Palma, wir hatten ein schönes Abendessen und irgendwann erreichte mich eine Whatsupnachricht der Tochter meines Partners. Sie schrieb: „Ich verzeihe Dir.“ Und: „Es tut mir leid, ich wollte mich nicht so aufregen.“ Ich antwortete ihr, dass alles in Ordnung sei und bedankte mich für ihre Entschuldigung. Im Auto nahm ich mir dann Zeit genauer hinzuschauen. Welche Gedanken hatten meine starke Wut ausgelöst? Da tauchten sie auf: „Sie ist ein Papakind, sie will nichts von mir wissen, sie ist eine Zicke, das wird nicht gut gehen mit ihr und mir, sie sollte sich von mir trösten lassen, sie macht aus einer Mücke einen Elefanten, sie ist eine Dramaqueen, sie will immer im Mittelpunkt stehen, sie ist unverschämt mir gegenüber….“

Ich untersuchte den Gedanken „Sie ist unverschämt mir gegenüber.“ Das bezog sich auf den ersten Satz ihrer Whatsupnachricht: „Ich verzeihe Dir.“ Ich war immer noch wütend und in meiner Welt sollte sie mich um Verzeihung bitten und in meiner Welt hatte sie mir nichts zu verzeihen. Am Ende des Prozesses stellte ich fest, dass sie viele Gründe hatte, mir zu verzeihen. Ich sah, wie ich sie gegen ihren Willen hochgehoben habe. Ich sah, wie ich unheimlich wütend auf sie wurde und mit dieser Wut nicht in der Lage war, ruhig auf sie einzugehen, ich sah, wie ich ein Kräftemessen mit ihr begann und es um „meine“ Position im Vergleich zu Papa ging… Es gab also wirklich einiges zu verzeihen von ihrer Seite und ich empfand Demut, dass sie mir das mit ihren 9 Jahren beigebracht hat.

Die gelebte Umkehrung ist ein Bestandteil von The Work of Byron Katie. Byron Katie nennt es „The living turnaround“. In meinem Fall wurde aus „Sie ist unverschämt mir gegenüber.“ meine gelebte Umkehrung: „Ich bin unverschämt ihr gegenüber.“ Um von der Erkenntnis nun ins Tun kommen, vereinbarte ich mit mir selbst, jeden Tag drei Beispiele zu finden, woran ich erkennen konnte, dass ich ihr gegenüber unverschämt gewesen bin. Diese drei Beispiele schreibe ich mir auf. So unterstütze ich meinen Verstand dabei, diese neue Sicht noch mehr zu integrieren. Und ich habe festgestellt, dass es besonders nachhaltig ist, diese gelebten Umkehrungen mit anderen Menschen zu teilen, Und dafür möchte ich dir hier die Gelegenheit geben: Wenn du auch gerade eine Umkehrung lebst oder leben möchtest, kannst du hier deine Beispiele teilen. Ich fange mal an:
1. Beispiel: Ich bin unverschämt ihr gegenüber, wenn ich insgeheim erwarte, dass sie mich behandelt wie ihren Papa.
2. Beispiel: Ich bin unverschämt ihr gegenüber, wenn es mir nur darum geht, was „meine“ Position ist und keine Kapazität habe, bei ihr zu sein, da ich innerlich so mit meinem Ego beschäftigt bin.
3. Ich bin unverschämt ihr gegenüber, wenn ich sogar an ihrer Entschuldigung etwas auszusetzen habe, statt einfach dankbar dafür zu sein.

Viel Freude beim Entdecken!

Lieben Gruß

Kerstin

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Über Gurus, Selbstliebe und wer noch so meine Knöpfe drückt…

Vor drei Wochen war ich im Kosmetiksalon der Mutter der Kinder meines Partners zur Maniküre. Als ich bezahlte, kam ihre Tochter herein und begrüßte mich recht kühl mit “hallo” – kein Küsschen, nichts weiter. Wir leben auf Mallorca, hier ist es in der Regel üblich, sich mit zwei Küssen auf die Wange zu begrüßen oder zu verabschieden. Ich behielt nach Außen die Fassung und ging zu meinem Auto. Ich wusste, dass ich die Kinder aufgrund einer Reise nun drei Wochen nicht sehen würde. Seit dieser Begebenheit beschäftigt mich der Gedanke: “Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.” Beweise, dass ich damit Recht habe, fallen mir gerade viele ein. Ich könnte euch von vielen Situationen erzählen, in denen ich die Tochter oder auch beide Kinder so erlebt habe. Das wäre wohl der traditionelle Weg. Ich erzähle meine Geschichte und im besten Fall findet sich jemand, der mich versteht, mich in meiner Meinung bestärkt oder mich vielleicht sogar etwas bemitleidet.

Verlassen wir einmal den traditionellen Weg und begeben uns auf einen anderen Weg, nämlich den Weg mit The Work of Byron Katie, bei dem es darum geht, in Frage zu stellen, ob das, was wir glauben, wahr ist.

Was macht man nun mit so einem hartnäckigen Gedanken, der sich nicht gut anfühlt?

In meiner Erfahrung gibt es genau zwei Möglichkeiten:
1. Ich werde zum Opfer und glaube mir die Geschichte und beginne zu leiden.
Oder:
2. Ich erkenne, dass es sich um einen Gedanken handelt und beginne den Prozess des Hinterfragens.

Heute fällt die Entscheidung für die zweite Option: Hinterfragen!
Und nun ein Durchlauf zum warm werden. Ich hinterfrage folgenden Gedanken mit The Work.

“Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.”

1. Ist das wahr?

Ich schliesse meine Augen, versetze mich in die Situation im Kosmetiksalon der Mutter, die Kleine kommt herein, sagt Hallo zu mir und geht hinter die Theke zu ihrer Mutter und küsst sie. Nun beginnt eine Minimeditation: Ist das wahr? Sie ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir. Ist das wahr? Der Kopf fragt und das Herz darf antworten. Dabei lasse ich mir Zeit. Und schwanke, mal taucht ein Ja auf, dann ein Nein, dann wieder ein Ja… meine Antwort in diesem Moment ist: Ja, es ist wahr.

2. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist, dass die Tochter deines Partners in der Öffentlichkeit abweisend zu dir ist?

Es beginnt eine erneute Minimeditation. Der Verstand fragt, das Herz darf antworten. Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass sie abweisend zu mir in der Öffentlichkeit ist? Ja, nein, ja, nein, nein, ja…. Ich bin immer noch bei ja, und das ist total ok, denn es gibt bei The Work keine richtigen oder falschen Antworten – es gibt nur deine Antworten. Also: Ja.

3. Wie reagierst du und was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?

Die Tochter deines Partners in der Öffentlichkeit abweisend zu dir.

Ich reagiere traurig, enttäuscht. Verkrampfe, wenn ich sie in der Öffentlichkeit sehe, gehe davon aus, dass es dieses Mal wieder so sein wird wie letztes Mal, versuche nach aussen die Fassung zu wahren und mir nichts anmerken zu lassen, ich fühle mich allein, verraten, im Stich gelassen, als Aussenseiterin, beschämt, werde still, möchte allein sein und weinen. Ich lehne die Tochter meines Partners ab in dem Moment. Ich werde zum Opfer und versinke in einem Strudel negativer Gedanken. Es tauchen Bilder aus der Vergangenheit auf, wo ich sie auch als abweisend erlebt habe. Mein Herz ist schwer und tut weh.

4. Wer wärst du ohne den Gedanken?

Die Tochter deines Partners in der Öffentlichkeit abweisend zu dir.

In der Situation, im Kosmetiksalon der Mutter.
Ich wäre überrascht, sie zu sehen, würde mich freuen, sie noch einmal zu sehen, bevor ich verreise. Ich würde wahrnehmen, dass sie mit schlechter Laune ankam und sagte, ihr sei sehr heiss. Ich würde wahrnehmen, wie freundlich und zugewandt ihre Mutter zu mir ist und wäre dankbar für die gute Verbindung, die wir mittlerweile haben. Ich hätte Mitgefühl mit der Tochter, dass es vielleicht für sie schwierig ist, ihre Mutter und mich zu sehen und das noch nicht gewohnt für sie ist.

Ich wäre dankbar, dass sie einen merklichen Unterschied zwischen ihrer Mutter und mir macht, so dass ihre Mutter keinen Grund hat, eifersüchtig auf mich zu sein. Ich würde vertrauen, dass alles in Ordnung ist so wie es ist. Ich wäre erleichtert, dass es möglich ist, mit der Mutter und der Tochter in einem Raum zu sein. Ich würde das Hallo einfach als Information nehmen, wie die Tochter im Moment zu mir steht, was sich für sie richtig anfühlt und was nicht. Ich wäre erwachsen, reflektiert, bräuchte nichts im Außen, stark, zufrieden und offen.

Nun kehre ich den Gedanken um – was heisst, neue Perspektiven zu finden.

Der ursprüngliche Gedanke lautet:
Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.

Daraus wird: Die Umkehrung ins Gegenteil:

Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit nicht abweisend zu mir.

Meine drei Beispiele, dass das auch wahr oder wahrer ist:

1. Sie sagt Hallo.
2. Sie hat kurz gelächelt, bevor sie durch die Tür kam und mich durch das Fenster sah.
3. Sie hatte schlechte Laune und die hatte nichts mit mir zu tun.

Eine Steigerung dieser Umkehrung ist für mich:

Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit zugewandt zu mir.

Meine Beispiele:

1. Dafür, dass sie ihre Mutter und mich erst ca. 3 Mal zusammen erlebt hat, war sie recht entspannt.
2. Sie hat mich begrüßt.
3. Ich habe sie noch nie gefragt, wie es für sie ist, ihre Mutter und mich zu treffen, ich habe keine Ahnung, was in ihr vorgeht und falls sie stressige Gedanken dazu haben sollte, kann ich finden, wie sie mir zugewandt war bei diesem Treffen.

Nun kommt eine weitere Umkehrung: Ich vertausche die Personen.
Aus“Die Tochter meines Partners ist in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.” wird:
Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu der Tochter meines Partners.

Drei Beispiele:

1. Ich habe ausser Hallo zu sagen und zu lächeln, kein Zeichen gegeben, dass ich sie umarmen möchte.
2. Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu ihr, da ich angespannt bin in solchen Situationen und mein Verstand in die Zukunft projeziert, dass sie wieder abweisend sein wird. Das ist vielleicht für sie spürbar.
3. Ich bin abweisend zu ihr, wenn mir wichtiger ist, dass sie mein Bedürfnis nach Nähe erfüllt, anstatt zu schauen, wie es dem Kind geht und was es gerade braucht – anscheinend genau diesem Abstand.

Und der letzte Perspektivenwechsel: Die Umkehrung zu mir selbst.
Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu mir.
Meine drei Beispiele dafür, dass das auch wahr oder wahrer ist:

1. Ich weiss nicht, was in ihr vorging, und ich weiss, dass es mir nach dieser Begegnung schlecht ging – ein klares Zeichen, dass ich innerlich zu mir abweisend war.
2. Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu mir, wenn ich mich mit der Mutter vergleiche und mein Wohlbefinden davon abhängig mache, wie ihr Kind auf mich reagiert.
3. Ich bin in der Öffentlichkeit abweisend zu mir, wenn ich mich hereinziehen lasse in die Geschichte, dass ich Zuwendung von aussen benötige, um mich vollständig zu fühlen.

Die letzte Umkehrung „Ich bin abweisend zu mir“ erinnert mich an das Buch von Byron Katie: Ich brauche deine Liebe. Stimmt das? – in diesem Buch habe ich viel gelesen nach einer Trennung von einem Partner. Und nun wird mir das Thema erneut präsentiert vom Universum. Dieses Mal nicht durch einen Mann, dieses Mal durch ein Kind.

Katie sagt: “Leute gehen nach Indien um einen Guru zu finden, aber das musst du nicht: du lebst mit einem. Dein Partner wird dir alles geben was du brauchst für deine eigene Freiheit.” Im Moment sind die Gurus in meinem Leben die Kinder meines Partners, die mir kontinuierlich zeigen, wo ich noch nicht frei bin, wann ich mich selbst verlasse und wann ich meine, ein Anrecht auf dieses oder jenes zu haben, oder dieses oder jenes verdient oder nicht verdient zu haben. Die Wirklichkeit zeigt mir, was wirklich wahr ist. Immer nur das, was geschieht und zwar genau dann, wann es geschieht und nicht, wann ich meine, es sei ein angemessener Zeitpunkt. Da bleibt mir nur “Danke” zu sagen – für diese Reise des Erkennen, Einsehen, Üben, Wieder gut machen, Loslassen und Vertrauen.

Heute kommen die Kinder wieder für eine Woche zu uns. Ich bin gespannt, welche Knöpfe bei mir noch zu drücken sind und werde berichten 😉

In diesem Sinne wünsche ich euch eine spannende Woche mit euren Gurus.

Alles Liebe

Kerstin

Außenseiter, Türschwellen und andere Befürchtungen

Vor kurzem bin ich mit meinem Partner und seinen beiden Kindern zusammengezogen. Nun befinde ich mich mit fast 40 auf einmal in einer so genannten „Patchworkfamilie“, die mich manchmal vor ganz neue Herausforderungen stellt. In dieser Konstellation, in der es drei „Kern-Familienmitglieder“ und mich als Neueinsteigerin gibt, kann ich immer wieder beobachten, wie ich mich manchmal ausgeschlossen fühle, bzw. glaube, ausgeschlossen zu sein. Heute möchte ich darüber schreiben, wie kraftvoll ein einziger Gedanke sein kann, wenn man ihn glaubt.

Ich werde immer eine Außenseiterin sein.
Vor ein paar Wochen war ich auf dem Lehrcoachtreffen des VTW auf Mallorca. Wir hatten die Möglichkeit, miteinander die Work zu machen und einen stressvollen Gedanken auf seinen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Mein Einzug war noch ganz frisch und sofort ploppte der Gedanke auf: „Ich werde immer eine Außenseiterin sein.“ Kaum ausgesprochen spürte ich, wie Tränen in meinen Augen aufstiegen und meine Brust ganz eng und schwer wurde. Beweise dafür, wieso das wahr war, dass ich immer eine Außenseiterin sein werde, fand mein Verstand viele. Es tauchten Bilder auf aus unserem ersten gemeinsamen Urlaub mit den Kindern, die Kinder links und rechts an seiner Hand und ich hinter oder vor ihnen her gehend – allein. Weitere Bilder tauchten auf, die Kinder verlassen das Haus, um zur Schule zu gehen und verabschieden sich kaum, geschweige denn dass es eine Umarmung oder einen Kuss gibt… und, und, und…

Wie verhalte ich mich, wenn ich das glaube?
In der Work fragte mich meine Begleiterin, wie ich die Kinder behandele, wenn ich glaube, dass ich immer eine Außenseiterin sein werde. Zuerst folgte ich dem Impuls mich zu verteidigen. Ich war fest davon überzeugt, dass ich schon alles und eher zu viel als zu wenig dafür getan hatte, mich zu integrieren, auf die Kinder zuzugehen etc.. Und da ich ja schon mehr als genug getan hatte, seien nun die Kinder daran, einen Schritt auf mich zu zumachen. Ich sah in der Work, wie ich oft auf der Suche war nach ihrer Annahme, ihrer Bestätigung und ihrer Liebe. Was für eine Erwartung an zwei Kinder, deren Eltern sich getrennt haben, deren Leben sich in den letzten zwei Jahren komplett verändert hat… Mir fiel das Zitat von Byron Katie ein: „Wenn ich ein Gebet hätte, wäre es dieses: Gott bewahre mich vor der Suche nach Liebe, Bestätigung und Anerkennung.“ Ich spürte, wie ich so viel von ihnen wollte und in einen Mangel geriet, immer wenn ich im Opfermodus der Außenseiterin war.

Außenseiter gibt es nicht.
Als wir zu den Umkehrungen kamen: Ich bin keine Außenseiterin, ich werde nicht immer eine Außenseiterin sein, ich bin ein Teil des Ganzen – konnte ich viele Beispiele finden, wie das noch so viel mehr stimmte. Ich sah, wie eines der Kinder mich oft gefragt hat, ob ich bei ihm im Zimmer schlafen möchte, ich sah, wie wir zusammen gespielt, gebastelt, getobt hatten, ich erinnerte mich an Gespräche, in denen die Kinder etwas aus meinem Leben wissen wollten und vor allem berührte mich die Einsicht, dass es einen Außenseiter per se nicht gibt – ich also nur in einem mentalen Konstrukt gefangen war – und sich auf einmal das Gefühl ausbreitete, dass ich immer ein Teil des Ganzen bin und auf jeden Fall immer ein Teil von mir selbst.

Plötzlich war alles anders.
Als ich abends nach Hause kam, blieb ich wie so oft an der Türschwelle des Sohnes meines Partners stehen. Er war schon im Bett, noch wach, und auf einmal spürte ich ganz bewusst, wie ich abends oft an der Türschwelle stehen geblieben war und Gute Nacht gesagt hatte. Plötzlich war es anders, ein Ruck durchfuhr mich und ich ging über die Türschwelle, kniete mich an das Bett, legte meine Hand auf das Bein des Kindes und fragte, wie sein Tag gewesen war. Und es kamen Antworten und ein schöner Austausch entstand. Völlig überrascht von diesem neuen Gefühl verliess ich das Zimmer und auf einmal wurde mir klar, dass ich diese Grenze gezogen hatte. Ich war immer an der Türschwelle des einen Kindes stehen geblieben, ich hatte mich nicht mehr angenähert aus Angst vor weiterer Zurückweisung, ich hatte festgesteckt in der Erwartungshaltung, dass nun das Kind daran sei, auf mich zuzugehen… und all das nur, weil ich den Gedanken geglaubt hatte: „Ich werde immer eine Außenseiterin sein.“

Manchmal kommt der Gedanke noch zurück und Zweifel machen sich erneut breit. Was mich seit diesem Abend der Türschwelle allerdings nicht mehr verlassen hat, ist die Erfahrung, dass ich nie wissen kann, wie es sich entwickelt und dass es so schöne Überraschungen gibt, wenn ich frei bin von einschränkenden Überzeugungen und einfach das tue, was aus meinem Herzen kommt, nämlich über die Türschwelle zu gehen statt zu warten, der andere möge zuerst gehen.

In diesem Sinne, Gute Nacht,

Kerstin